Kleiner Blonder aus dem Norden

Der künftige Landesparteichef hatte eine Bewerbungsrede vorbereitet, nur halten durfte Heiner Garg sie nicht auf dem Parteitag der FDP im schleswig-holsteinischen Neumünster. Erst als die Delegierten ihn bereits – mit 84 Prozent – gewählt hatten, trat er ans Pult und versprach, sich künftig „nicht immer daran zu halten, was Wolfgang Kubicki mir einflüstert“. Ob das gelingt?

Heiner Garg, Sozial- und Arbeitsminister sowie Vizeregierungschef in Schleswig-Holstein, wirkt jungenhaft mit seinen 45 Jahren. Er hat eine Art, Leute anzustrahlen, die sofort für ihn einnimmt. Pathos und Drohgebärden sind seine Sache nicht. In die FDP trat der Freiburger ein, weil sie „am wenigsten rechthaberisch auftrat“ und Raum gab zu diskutieren. Gelänge das wieder, sei ihm nicht bange, sagte er.

Garg, der seit 27 Jahren mit einem Bankkaufmann zusammen ist, ist Diplom-Volkswirt. Seine Doktorarbeit schrieb er über Kosten der Altenpflege – in dem Beruf arbeitete seine Mutter. Nach dem Studium kam er nach Kiel, wo er von 1995 bis 2000 als wissenschaftlicher Assistent in der FDP-Fraktion arbeitete und danach als Abgeordneter in die vordere Reihe wechselte. Garg nennt sich selbst einen Sozialpolitiker mit Leidenschaft, seine Fachkunde bezweifeln auch politische Gegner nicht. Das nützt ihm nur wenig: Zwar ist der Sozialbereich das Politikfeld, auf dem das meiste Geld bewegt wird – aber Fragen wie der Ausgleich der Krankenhausfinanzierung, ein Thema, für das Garg auf Bundesebene kämpft, oder die Kommunalisierung der Suchthilfe, um die es gerade im Land geht, sind in der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln. Seine Forderung nach Mindestlöhnen bekam er bisher in der eigenen Partei nicht durch.

Als FDP-Landeschef folgt Garg Jürgen Koppelin, der das Amt 18 Jahre lang ausübte. Die sichtbarste Figur der Nord-FDP ist und bleibt aber Fraktionschef Wolfgang Kubicki, der auch während der Richtungs- und Führungskämpfe weit häufiger das Wort ergriff als Koppelin oder Garg. Der demonstriert Selbstbewusstsein: „Wer glaubt, mit dem kleinen Blonden könnte man sich alles erlauben, irrt“, sagt er über sich. Und nach seiner Wahl stellte er fest: „Fühlt sich gut an, das Amt.“ ESTHER GEISSLINGER