„Lindner durfte das“

Anwalt Torge Rudek erklärt, warum er trotzdem keinen Freispruch beantragen konnte

TORGE RUDEK, Rechtsanwalt, hat in Bremen, Düsseldorf und Santiago de Chile studiert.

taz: Herr Rudek, Ihr Mandant war schon vor Prozessbeginn die Symbolfigur des Bremer Klinikskandals …

Torge Rudek: Das ist richtig: Elfeinhalb Monate Untersuchungshaft sind für jeden Menschen eine lange Zeit! Wir haben seinerzeit Haftbeschwerde eingelegt, da nach unserer Auffassung im Haftbefehl nichts vorgetragen wurde, um die angebliche Fluchtgefahr zu belegen. Andreas Lindner hat nicht einmal ein Konto im Ausland.

Aber?

Die Kammer hat entschieden, dass die U-Haft angemessen ist.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hatte Lindner auch schon im Visier. Wie hat sich das auf den Prozess ausgewirkt?

Für den Angeklagten ist es immer ungünstig, wenn er schon vor Beginn des Strafverfahrens in der öffentlichen Wahrnehmung schuldig gesprochen ist. Das andere Problem ist, was hat dieser Ausschuss bewirkt, welche Mechanismen haben sich in der Behörde geändert? Immerhin hat er Bremen ja 400.000 Euro gekostet.

Klingt angemessen bei einer Schadenssumme von fast zehn Millionen Euro.

Das ist nicht der wirtschaftliche Schaden, sondern vor allem ein so genannter Gefährdungsschaden – also Geld, das nicht geflossen ist, sondern nur geflossen wäre, wenn gewisse Verträge erfüllt worden wären. Tatsächlich sind gerade mal um die zwei Millionen Euro für diverse Leistungen gezahlt worden. Und angeklagt ist der schwammige Tatbestand der Untreue: Wo da die Grenzen zum Risikogeschäft verlaufen, ist schwer zu beurteilen.

Warum haben Sie dann nicht auf Freispruch plädiert?

Das wäre unmöglich gewesen. Es gab ja das abstrakte Schuldanerkenntnis über zwei Millionen Euro zugunsten der Siekertal-Klinik. Das war ein überstürzter und verfehlter Versuch, zu retten, was zu retten war.

Die Siekertal-Klinik, die ihm gehört hat. Und mit der er als Geschäftsführer vom KBO Geschäfte abgeschlossen hat.

Lindner durfte das. Er durfte Geschäfte mit sich selbst tätigen. Die Befreiung von Paragraf 181 des BGB stand sogar im Handelsregister.

Dann wäre ja doch wieder alles in Butter gewesen?

Nein, denn diese Befreiung bezieht sich zunächst auf das Außenverhältnis, nicht das Innenverhältnis.

Das heißt?

Das heißt, dass er als Alleinvertretungsberechtiger bei den Verträgen des KBO nach außen hin mit sich selbst Rechtsgeschäfte tätigen durfte. Etwas anderes ist es, ob er im Innenverhältnis dafür Beschlüsse von den internen Gremien gebraucht hätte.

INTERVIEW: BES