Lauschangriff auf G 8-Gegner

Bei den Hausdurchsuchungen von G 8-Gipfel-Gegnern im Mai sind die Wohnungen verwanzt worden. Der Bundesgerichtshof zweifelt derzeit daran, ob die Maßnahmen nach dem Terrorparagrafen 129a überhaupt gerechtfertigt waren

Der Große Lauschangriff auf eine Gruppe mutmaßlicher Gegner des G8-Gipfel in Heiligendamm ist nur eine von vielen übertriebenen Maßnahmen gewesen. So fanden sich Ende Mai 2007 ein Dutzend Staatsschutzfahnder im Briefverteilzentrum in Hamburg-Altona ein, um systematisch Briefe in und aus szenerelevanten Stadtteilen zu registrieren und zu durchleuchten. Eine richterlich angeordnete Postkontrolle darf aber nur durch Postangestellte durchgeführt werden (§ 99 StGB). Gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters läuft derzeit eine Beschwerde beim Bundesgerichtshof. Außerdem setzten die Fahnder nach der Razzia vom 9. Mai erstmals Schnüffelhunde ein. Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung war den Betroffenen neben einer DNA-Probe auch eine Geruchsprobe entnommen worden. Die Hunde sollten dann herausfinden, ob die Düfte mit den Gerüchen von Tatortspuren der Brandstiftungen übereinstimmten. Das war nicht der Fall. KVA

VON KAI VON APPEN

Die Anfang Mai großangelegten Durchsuchungen und Beschlagnahmungen bei mutmaßlichen G 8-Gipfel-Gegnern in Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein waren womöglich rechtswidrig. Das geht aus einem Schreiben des Bundesgerichtshofes (BGH) an die Anwälte der Betroffenen hervor. Die Staatsschützer haben die Durchsuchungen offenbar auch genutzt um in den Wohnungen der Verdächtigen Abhörwanzen anzubringen. Die Polizei hatte sich bei der Aktion auf den Terrorparagrafen 129a Strafgesetzbuch (StGB) bezogen.

Vor wenigen Tagen bekam ein Betroffener aus Hamburg, dessen Wohnung am 9. Mai durchsucht worden war, Post von der Bundesanwaltschaft. In dem Schreiben wird ihm mitgeteilt, dass „im Zeitraum vom 9. 5. 2007 bis 8. 6. 2007 aktivierbare abhörgeeignete technische Mittel in dieser Wohnung installiert“ und „das nicht öffentliche gesprochene Wort mit technischen Mittel abgehört und aufgezeichnet“ worden sei. Die Abhöreinrichtungen seien im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung eingebaut worden. Am 14. Juni seien diese Abhöreinrichtungen durch heimliches Eindringen der Polizei in die Wohnung des Beschuldigen wieder entfernt worden. Die Wohnraumüberwachung sei jeweils aktiviert worden, wenn gemäß der Videoobservation und Telefonüberwachung anzunehmen war, dass ein oder mehrere Beschuldigte das Objekt betreten haben.

„Definitiv wissen wir zurzeit von einer Person, die dem Großen Lauschangriff ausgesetzt war“, sagt die Hamburger Anwältin Britta Eder. „Es ist aber anzunehmen, dass noch weitere Personen davon betroffen sind“. So waren damals in Hamburg elf Wohnungen und das autonome Stadtteilzentrum Rote Flora gefilzt worden, in Bremen ein Wohnprojekt und die Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS) sowie auf dem platten Land mehrere Bauernhöfe. Aus Vermerken in den Akten geht hervor, dass die Staatsschutzorgane bereits vor der Razzia das Ansinnen hatten, das Treiben in der Rote Flora zu belauschen. Davon haben die Ermittler Abstand genommen, da „aufgrund der Sensibilität des dort verkehrenden Publikums die Installation der erforderlichen Überwachungs- und Aufzeichnungstechnik nicht möglich“ gewesen sei. Da die Rote Flora auch am 9. Mai gefilzt wurde, gilt es als sicher, dass auch sie im Rahmen des Einsatzes verwanzt worden ist. „Wir gehen fest davon aus, dass die Flora weiterhin abgehört wird“, sagt Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt. Und auch die MAUS in Bremen fühlt sich belauscht. „Wir nehmen an, dass wir abgehört werden“, sagt Mitarbeiter Fritz Storim, „haben aber mit unseren technischen Möglichkeiten nichts gefunden.“

Inzwischen gibt es erhebliche Zweifel, ob die polizeilichen Maßnahmen überhaupt rechtens gewesen sind. Die Bundesanwaltschaft hatte die Ermittlungen gegen G 8-Gegner im Dezember 2006 nach dem Brandanschlag auf das Auto der Ehefrau von Finanzstaatssekretär Thomas Mirow (SPD) an sich gezogen und ein 129a-Verfahren (Bildung einer terroristischen Vereinigung) eröffnet. Danach gab es weitere Brandstiftungen in Hamburg. Mit dem Instrument des 129a StGB holten sich die Bundesanwälte beim Ermittlungsrichter damals die Durchsuchungsbeschlüsse. Die Anwälte der Betroffenen legten dagegen Beschwerde beim BGH ein. Inzwischen teilte der 3. BGH-Senat den Verteidigern mit, dass sie nach rechtlicher Prüfung zurzeit der Auffassung sind, dass die „Zwangsmaßnahmen“ nicht gerechtfertigt gewesen seien. Denn Brandstiftungen an Autos und Farbsprühereien an Gebäuden erfüllten nicht den Tatbestand des Paragrafen 129a StGB. Deshalb sei auch die Bundesanwaltschaft nicht zuständig gewesen, sondern die örtlichen Behörden. „Damit bricht das Konstrukt der terroristischen Vereinigung bereits tatbestandlich zusammen“, sagt Rechtsanwalt Andreas Beuth. „Wenn der Tatverdacht gemäß Paragraf 129a StGB schon aus Rechtsgründen zu verneinen ist, war auch der Lauschangriff in Form der Wohnraumüberwachung eines Beschuldigten rechtswidrig“.

Die Bundesanwaltschaft versucht nun doch noch ihre Zuständigkeit wegen „der besonderen Bedeutung der Sache“ zu begründen. Zwar seien die Aktionen für sich nicht geeignet gewesen, die Gesellschaftsordnung zu erschüttern, die Täter hätten dies aber „gewollt“. Um diese These zu untermauern, sind in den letzten Wochen Bekannte der Beschuldigten als Zeugen vorgeladen oder deren Eltern von BKA-Beamten aufgesucht worden, um Aussagen zu erzwingen. Bislang sind alle Zeugen den Vorladungen ferngeblieben und die Eltern machten vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.