Polens neues neokonservatives Gesicht

Radek Sikorski trägt gerne Maßanzüge. Er schätzt Whisky am Kamin, nennt ein Haus in den USA sein Eigen und lebt mit seiner Familie auf einem weitläufigen Landsitz in Polen. Der 44-jährige einstige Journalist ist ehrgeizig. Am kommenden Freitag soll er zum polnischen Außenminister ernannt werden.

Sikorski ist der einzige aus der Vorgängerregierung Polens unter dem nationalkonservativen Premier Jarosław Kaczyński, der nach dem Wahlsieg der Liberalkonservativen unter dem neuen Regierungschef Donald Tusk den Sprung zu den Siegern gewagt und dabei gewonnen hat. Auf ihn wartet das internationale Parkett der hohen Diplomatie. Zwar hätte der Vollblutpolitiker auch gerne wieder das Verteidigungsministerium übernommen, doch Tusk diente ihm erfolgreich den schwierigeren Posten an.

Denn in Polens Außenpolitik gilt es viel zerschlagenes Porzellan zu kitten. Unter Außenministerin Fotyga erwarb sich Polen in der EU den Ruf eines ewigen Querulanten, Bremsers und Egoisten. Fast alle Nachbarregierungen stöhnen, wenn sich Besuch aus Polen ansagt. Außer Vorwürfen, Geldforderungen und dümmlichen Slogans wie „Quadratwurzel oder Tod“ war nicht viel zu hören.

Ob allerdings Sikorski der richtige Mann ist, um das reichlich verschrammte Image Polens im Ausland wieder aufzupolieren, ist fraglich. Als Verteidigungsminister verglich er die geplante deutsch-russische Gaspipeline mit dem Hitler-Stalin-Pakt, der 1939 zum Zweiten Weltkrieg, zur Teilung Polens und dem Holocaust führte. Die Sprache des ewigen Miesmachers hat also Sikorski mit seiner Vorgängerin Anna Fotyga gemein.

Der mit der US-amerikanischen Journalistin und Pulitzerpreisgewinnerin Anne Applebaum verheiratete Pole studierte als politischer Flüchtling in den 80er-Jahren Philosophie und Politik im britischen Oxford und arbeitete danach als Kriegsreporter für britische Medien. Doch seine eigentliche politische Prägung erfuhr er in den Jahren 2002 bis 2005, als er im American Enterprise Institute (AEI) arbeitete, einem der wichtigsten und einflussreichsten neokonservativen Thinktanks in Washington.

Immerhin hat Sikorski kein Problem damit, auch einmal die US-Amerikaner zu brüskieren, wenn es um polnische Interessen geht. Doch Lektionen in polnischer Geschichte will er auch den Europäern erteilen. Vor einem Monat sagte er: „Westeuropa hat sich noch nie die Mühe gemacht, unsere Geschichte zu verstehen. Die Integration neuer Mitglieder verlief nach dem Muster der deutschen Wiedervereinigung: Ihr schließt euch dem Westen an und habt euch anzupassen.“

GABRIELE LESSER