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Fehler gemachtHochstapler

Seine Eitelkeit tropfte bei mir aus dem Telefon

Man muss nicht die Wohnung verlassen, um was zu erleben. Das dachte ich, als ich eine Mail von Gert Postel bekam. Ich hatte nie mit ihm zu tun. Ich weiß, dass der Postbote vor vielen Jahren als falscher Arzt sein Unwesen an psychiatrischen Kliniken getrieben hat. „Liebe Barbara“, schrieb er, „ich würde Dich gerne zu Wein und Essen einladen. Dann könnten wir ein bisschen plaudern, von Hochstapler zu Hochstapler, von Autor zu ‚Autor‘. Das würde ein Zusammentreffen bestimmt der ganz besonderen Art; und Langeweile würde uns nicht überfallen. Hast Du Lust? Herzlich, Gert Postel“. Am gleichen Tag war bei Spiegel Online eine kleine Schwarzwaldserie gestartet, die ich über meine zahlreichen Aufenthalte dort geschrieben habe. Die Überschrift lautete: „Meine Herren, ich geh anschaffen.“ Ich erinnerte mich an Talkshows, bei denen Postel selbstbewusst, sprachgewandt und selbstverliebt aufgetreten war. Ich schrieb zurück und fragte, wie er darauf komme, dass ich ein Hochstapler sei, und gab ihm recht in der Vermutung, dass es mit mir nicht langweilig wird. Ein Fehler.

Einige Stunden später klingelte das Telefon. „Gert Postel.“ Er sagte, er kenne einige Texte von mir. „Gar nicht schlecht, was Sie schreiben.“ Mir stand der Sinn nach Butter bei die Fische. „Was wollen Sie von mir?“ Er erzählte von einem „diskreten Interesse“, das sich vielleicht „eruptiv verdichten“ lasse. Alle naslang fiel ich ihm ins Wort und wies ihn darauf hin, dass seine Eitelkeit bei mir aus dem Telefon tropfe. „Seien Sie doch nicht so lehrreich“, schimpfte er einmal. Oder: „Das brauchen Sie nicht so homöopathisch formulieren.“ Zum Schluss fragte er, ob ich kochen könne. Da wusste ich nicht mehr, ob ich bei der Post, in der Psychiatrie oder einer Singlebörse war. Postel kündigte an, mir sein Buch zu schicken. Ich hoffe, dass es kein Fehler war, ihm meine Adresse zu geben.

BARBARA BOLLWAHN

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