„Tierschutz gehört in die Kita“

LEBEWESEN Um Tauben, Hunde und Reptilien geht es am Dienstag beim Forum Tierschutz des Landestierschutzbeauftragten. Und um den verwaisten Job des Wildtierbeauftragten

■ Jahrgang 1942, ist Mediziner und Pharmakologe. Seit 2013 ist er ehrenamtlicher Tierschutzbeauftragter des Senats.

INTERVIEW PLUTONIA PLARRE

taz: Herr Spielmann, haben Sie Tiere?

Horst Spielmann: Wir hatten mehrere Hunde in unserer Familie. Aber wir mussten auch erst lernen, wie man mit so einem Tier umgeht. Mit unserem ersten Hund hatten wir schlechte Erfahrungen gemacht. Das war ein drei Jahre alter Golden Retriever.

Was ist passiert?

Nach fast einem Jahr ist er unserer achtjährigen Tochter an den Hals gesprungen und hat meiner Frau in die Hände gebissen.

Können Sie sich vorstellen, warum?

Durch den Angriff auf unsere Tochter, die Kleinste in der Familie, hat der Hund versucht, seine Position im Rudel – so betrachtet er die Familie – zu verbessern. Der Hund war überzüchtet, wir hätten ihn nicht nehmen dürfen. Wir haben erst später erfahren, dass er vorher schon Erwachsene angegriffen hatte. Wir mussten ihn töten lassen.

Trotzdem haben Sie sich einen neuen zugelegt?

Ich habe 20 Jahre in einer Bundesbehörde eine Abteilung geleitet, die in Europa Tierversuche für Kosmetika erfolgreich abgeschafft hat. Nach dem Erlebnis mit dem Hund hat einer der Kollegen gesagt, man könne eine schlechte Erfahrung nur mit einer guten kompensieren. Und das haben wir getan. Wir haben uns einen Golden-Retriever-Welpen zugelegt. Der ist als Teil der Familie aufgewachsen. Nach dem Tod dieser Hündin folgte ein Flat Coated Retriever, der eine strenge Hand braucht. In der Hundeschule habe ich mit beiden Hunden sehr viel gelernt.

Die Berliner sind Weltmeister im Aussetzen von Tieren. Erst Weihnachten sind wieder Welpen in der Mülltonne gelandet.

Früher im Dorf war das Zusammenleben mit Tieren eine Selbstverständlichkeit. Die Menschen müssen wieder lernen, mit Tieren zusammenzuleben. Das müsste schon im Kindergarten anfangen. Tierschutz müsste fest zum Unterricht gehören.

Sind Hunde und Katze in einer Großstadt nicht fehl am Platz?

Überhaupt nicht. Viele Leute haben, wenn sie älter werden, keine Partner. Hunde und Katzen füllen da eine wichtige Lücke.

Sie wohnen in Lichterfelde in einem Haus mit Garten. Sind Sie beim Gassigehen immer brav mit einem Kotbeutelchen unterwegs?

Was sonst? Das gehört sich wohl so. Aber ich stelle fest, dass die Beutel zum Teil nicht gut entsorgt werden. Sie liegen auf den Grünstreifen herum.

Auch rund um den Grunewaldsee sind im Sommer die Büsche damit drapiert.

Das ist nicht in Ordnung. Es ist nicht Sinn der Sache, dass andere Leute das entsorgen müssen.

Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU) macht viel Wind um seinen Bello-Dialog und das geplante Hundegesetz. Die Opposition spricht von einem Marketing-Gag. Was ist Ihre Meinung als Tierschutzbeauftragter dazu?

Das ist kein Marketing-Gag. Bestimmte Dinge, wie Hundeführerschein und Leinenpflicht, sind bis zu einem gewissen Grad neu und durchaus sinnvoll.

Aber leicht zu unterlaufen.

Man kann nie eine optimale Regelung machen. Es gibt viele Länder, die anders als Deutschland ohne gesetzliche Regelungen funktionieren, England ist das beste Beispiel. Es muss nicht alles gesetzlich verboten oder erlaubt sein.

Kommenden Dienstag findet unter Ihrer Leitung das Forum Tierschutz im Abgeordnetenhaus statt. Worum geht es?

Ich treffe mich mit Tierschützern und den tierschutzpolitischen Sprechern der Fraktionen alle drei Monate. Da werden akute Themen angesprochen.

Zum Beispiel?

Es geht um Tauben, Hunde, Reptilienhaltung. Das Problem, das Sie mit dem Aussetzen von Hunden geschildert haben, ist bei den Exoten noch viel schlimmer.

Bitte erzählen Sie.

Die werden für zehn Euro gekauft, beispielsweise in Baumärkten. Dann wachsen die heran und werden fast so groß wie das ganze Zimmer – das haben Sie gar nicht erwartet. Die müssen irgendwohin, und dann kommen sie in das von den Tierschutzverbänden finanzierte Tierheim.

Welche Tiere sind das?

Schildkröten, Geckos, Warane. Die leben bis zu ihrem Tod dort. Das kostet viel Geld. Ich versuche gerade, die Abgeordneten davon zu überzeugen, dass sich das Land Berlin an den Kosten für die Unterbringung beteiligen muss. Bislang gibt der Senat nur Geld für die Unterbringung von abgegebenen Hunden und Katzen, aber nur für einen Monat.

Was beschäftigt Sie bei den Tauben?

Dabei geht es vor allem um die betreuten Taubenschläge: Die Tauben werden darin gezielt gefüttert. Bei der Gelegenheit werden ihnen die Eier weggenommen, damit sie sich nicht vermehren können. Dafür ist Geld erforderlich, und man braucht Leute, die das betreuen. In Berlin macht das jeder Bezirk für sich. Reinickendorf hat fünf betreute Taubenschläge und das Problem damit im Griff. Andere Bezirke machen zum Teil gar nichts. Es ist ein bisschen mühselig, in alle Bezirke zu fahren und dort immer wieder dasselbe zu erzählen.

Was ist das Problem?

■ Etwa alle drei Monate trifft sich der Tierschutzbeauftragte des Senats mit Tierschützern und Parlamentariern zum Berliner Forum Tierschutz. Am Dienstag um 18 Uhr ist es wieder so weit. Das Treffen findet im Abgeordnetenhaus statt, eine Teilnahme ist nur auf Einladung möglich. Unter anderem wird es um aktuelle Projekte für Tauben in den Bezirken gehen und den Stand der Beratungen über das neue Hundegesetz. (plu)

Berlin ist in Bezug auf Tierschutz so strukturiert wie Deutschland: Die zentrale Regierung hat wenig Kompetenz. Ich sitze beim Senator für Justiz und Verbraucherschutz. Die Kompetenz liegt aber bei den Bezirken, wo die Veterinärämter zuständig sind.

Das heißt, Sie können nur gute Ratschläge geben?

Ich sehe mich als Vermittler zwischen Tierschützern, Bezirken, Senat und Abgeordnetenhaus. Bei Problemen, die nicht mehr tragbar sind, versuche ich, Abhilfe zu schaffen.

Was haben Sie in den zwei Jahren Ihrer Amtszeit bewegt?

Dazu bin ich vielleicht zu bescheiden, um konkret etwas zu sagen.

Dennoch?

Ich versuche, zu helfen, wo ich kann.

Kümmern Sie sich auch um die vielen wildlebenden Waschbären, Füchse und Marder?

Formal bin ich nicht zuständig. Das macht eigentlich der Wildtierbeauftragte in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Derk Ehlert. Aber den gibt es auf diesem Posten nicht mehr.

Wie bitte?

Im Augenblick bekomme ich zusätzlich noch die ganzen Anfragen zu Wildtieren auf den Tisch. Auch darum wird es auf dem Forum am Dienstag gehen. Was passiert mit der Stelle, wie wird es weitergehen?