TAZ.MAG-NACHTRAG

Anlass für Philipp Gesslers Text über die Zerrissenheit der Kinder von Holocaust-Überlebenden („Immer auf der Flucht“, taz.mag vom 10. 11. 2007) war eine Sammelklage gegen die Bundesrepublik. Diese soll die Kosten für die psychotherapeutische Behandlung all jener tragen, für die das Leid der Eltern zu psychischen Problemen führte.

Unabhängig davon ist die sogenannte zweite Generation seit einiger Zeit Thema in der israelischen und amerikanischen Literatur. 2001 ist Lily Bretts Roman „Zu viele Männer“ auf Deutsch erschienen, in dem sie die gemeinsame Gedächtnisreise eines Vaters und seiner Tochter nach Polen schildert. Die Kritik hat den Text sehr unterschiedlich aufgenommen, teils wurde dessen Furchtlosigkeit und die klare Analyse gerühmt, andere stießen sich an der – durch die Tochter vermittelten – Sicht auf die Polen als frömmelnde und judenfeindliche Alkoholiker.

Weniger bekannt, aber unbedingt lesenswert ist das Buch der israelischen Autorin Lizzi Doron. „Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen?“ schildert das gemeinsame Leben mit ihrer Mutter in Tel Aviv von 1960 bis 1990. Beeindruckend ist der verhaltene Ton, mit dem die Tochter nur indirekt durch das gegenwärtige Verrücktsein der Mutter die heillosen Verletzungen der Vergangenheit andeutet.

„Ich war das Kind von Holocaustüberlebenden“ heißt der gerade erschienene Roman von Bernice Eisenstein, der sehr drastisch die Perspektive der zweiten Generation schildert: „Es gibt keine Anonymen Holocaustler, denen man beitreten könnte, es gibt kein Forum, dem man sich mitteilen könnte: ‚Hallo zusammen, ich bin Holocaust-abhängig. Inzwischen bin ich clean, ich brauche den Holocaust nicht mehr, um mein Selbstwertgefühl aufzubauen.‘ “