Im Garten gefangen

Freiheit sieht anders aus: Matthias Weischer zeigt im Neuen Berliner Kunstverein Papierarbeiten, die alle nur ein Thema kennen: einen römischen Park. Doch je mehr man sieht, desto enger wird es

VON JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

Noch bis Ende des Jahres arbeitet der deutsche Maler Matthias Weischer als Stipendiat in der Villa Massimo in Rom, aber bereits jetzt präsentiert der Neue Berliner Kunstverein (NBK) in der Ausstellung „Der Garten“ das, was bislang dort entstanden ist. Zu sehen sind schwarzweiße Kohlezeichnungen, Aquarelle und Bilder, die mit bunten Pastellkreiden auf Papier entstanden sind. Sie alle fangen die Natur in den Gärten der Villa und des angrenzenden japanischen Kulturinstituts ein.

Als ob ihn eine tägliche Expedition in diese Gärten geführt hätte, erforscht Weischer in ausgedehnten Bildserien Licht, Volumen und Formen dieser Parklandschaften. Diese römischen Blätter verwundern dabei nicht nur, weil sei aufgrund ihrer Technik und Motivwahl völlig unzeitgemäß wirken, sondern auch, weil sie mit dem bekannten Werk des Künstlers, das zu der vom Kunstmarkt hysterisch ausgerufenen „Neuen Leipziger Schule“ zählt, zuerst wenig gemein zu haben scheinen.

Weischer ist für Ölmalereien bekannt, die sich fast ausschließlich in Interieurs abspielten und derzeit in der Mannheimer Kunsthalle zu sehen sind. Geprägt von einer Abgeschlossenheit und seltsamen Leere, die sich trotz einer Fülle von Möbeln, Lampen, Bildern oder Pflanzen ausbreitet, haftet ihnen etwas Melancholisches bis Unheimliches an. In Rom wechselt Weischer dagegen nicht nur die Technik, sondern bewegt sich zugleich aus den Innenräumen hinaus in die Landschaft, und man könnte meinen, alles habe sich dadurch geändert.

Was im NBK zu sehen ist, wirkt im Gesamtbild dann auch wie eine geradezu mit Leichtigkeit erzeugte Schnappschusslandschaft. Die gerahmten Blätter sind fortlaufend in Augenhöhe aneinandergereiht und ergeben mehrere Serien, bei denen das Einzelbild zuweilen nur unwesentlich variiert, um dann eine Stück weiter doch wieder einen deutlich anderen Ausschnitt der Gartenlandschaft zu notieren. Hatte der erste Anblick von Zypressen, Lorbeerhecken und Fontänen eine sommerliche Befreitheit entfacht, zeigen sich Weischers Abbildungen im nächsten Augenblick aber doch absolut verhalten.

Seine Gartenwelt ist unbelebt. Nur ein geparktes Auto oder die Sicht auf ein Atelierfenster zeugen hier von der Anwesenheit des Menschen. Schließlich führen Weischers neue Arbeiten gar nicht in die erhoffte Weite, sondern weiterhin in die Enge.

Dass das so ist, liegt vor allem daran, dass es Weischer auch in seinen Gartenzeichnungen vorrangig um die bildliche Erzeugung einer Raumatmosphäre zu gehen scheint. Der Himmel wird, wenn überhaupt, nur als ein Ausschnitt sichtbar, denn meistens sind Bäume, Pflanzen und Hecken oder ein Stück Weg das, worauf sich der Künstler konzentriert hat. Panoramaartige Blicke in die Tiefen der Gärten werden nicht gewährt.

Dieses Raumkonzept stellt sich gleichermaßen gegen das Bildverständnis der Romantik wie das der Avantgarde. Es arbeitet weder mit einer modernen Verflachung noch mit der romantischen Entgrenzung des Bildraums. Weischers Garten fängt die betrachtenden Blicke vielmehr ein und ruft dadurch auch im Freien eine unausweichliche Begrenzung hervor. Die Thematisierung desselben Raumkonzeptes für den Innen- wie für den Außenraum ist zwar interessant, aber der betrachtende Blick möchte trotzdem nicht ständig auf Begrenzungen stoßen. Am Ende fühlt er sich in diesen leblosen Naturräumen einfach nur noch eingefangen.

Matthias Weischer. Neuer Berliner Kunstverein, bis 23. 12. 2007, Di.–Fr. 12–18 Uhr, Sa./So. 14–18 Uhr. Katalog: Hatje Cantz, 39,80 €