Wiederbegegnung mit High Heels und Chucks

BÜHNE Das Theater der Jungen Generation in Leipzig spielt das Märchen „Die zertanzten Schuhe“

Sie sollen schlafen. Aber sie düsen mit dem Motorrad durch die Nacht, um in einem Schloss am See bis zum Morgengrauen zu tanzen. Das alles machen die drei Prinzessinnen heimlich, denn ihr Vater, der Sonnenkönig, hat nach dem Tod seiner Frau Musik, Tanz, Gesang und alle anderen Arten von Vergnügen strikt verboten.

Klingt wie ein Märchen? Ist ein Märchen. Geschrieben von den Brüdern Grimm und in der Bühnenfassung des Schweizer Autors Ueli Blum am Theater der Jungen Generation in Leipzig aufgeführt: „Die zertanzten Schuhe“. Jüngst war Premiere, bis Ende des Jahres wird das anderthalbstündige Stück als „Weihnachtsangebot“ gespielt.

Die Prinzessinnen zertanzen jede Nacht ihre Schuhe. Der König weiß davon, jeden Morgen schaut er ratlos durch die Löcher in den Sohlen. Er sperrt seine Töchter nächtens in ihrem Schlafzimmer ein, verriegelt die Tür wie einen Safe in der Bundesbank und postiert Wachen davor. Alles umsonst. Die Mädchen tanzen und tanzen und sind morgens zu müde für das gemeinsame Frühstück mit dem Vater. Um hinter das Geheimnis zu kommen, verspricht der König demjenigen, der das Rätsel löst, seine jüngste Tochter und das halbe Königreich. Aber niemandem gelingt das, am Ende wartet auf jeden das Schafott. Bis eines Tages ein junger heimkehrender Soldat, der glaubt, nichts mehr zu verlieren zu haben, es noch einmal versucht.

Ein bekanntes Grimm-Märchen verbindet sich im Theater der Jungen Generation mit dem Anspruch, nicht nur Kinder zu unterhalten. Den Leipzigern ist es gelungen, ein heiteres, vergnügliches Bühnenspiel (Regie: Kay Link) mit viel Musik und Gesang (Musikalische Leitung: Erich A. Radke und Jörg Leistner), Tanz und Akrobatik für jedermann zu machen. Es gibt reichlich originelle Regie- und Spielerideen, dem Leben abgeschaut und ohne verstaubte Märchenmanier.

Pubertistin von nebenan

Die Prinzessinnen sind Pubertistinnen wie aus der Nachbarschaft (Elisabeth Fues, Anna-Lena Zühlke, Anke Stoppa), sie fahren Motorrad und vergessen zu tanken, eine hockt sich in den Wald, um zu pullern. Sie kichern und stehen stundenlang vor dem Spiegel, sie tanzen nach Cyndi Lauper, Björk, Milk & Sugar, LMFAO und den Dresden Dolls. Und sie machen sich lustig über die jungen Männer, die auf sie aufpassen sollen. Der Spielraum ist nicht nur die Bühne, sondern auch der Zuschauerraum und die Empore. Mitnichten ein neuer Einfall, aber in dem kleinen Leipziger Jugendtheater eine sparsam eingesetzte Methode und daher gelungene Erweiterung der Spielfläche.

In einem Stück über Schuhe dürfen diese natürlich nicht fehlen. Davon gibt es denn auch reichlich, über 300 Paare sind mit dabei: Pumps, High Heels, Chucks, Turnschuhe, Ballerinas. So viele hatte das Theater am Lindenauer Markt aber nicht im Fundus. Im September startete das Theater daher einen „Spendenaufruf“. Das Stück ist schon jetzt fast immer ausverkauft, die Premiere war umjubelt. Aber vielleicht will auch so manche Schuhspenderin einfach ihre ausgedienten Stücke noch mal wiedersehen. SIMONE SCHMOLLACK