kabinenpredigt
: Es gibt ihn, den Kicker mit Horizont

Fußballer gelten im Allgemeinen nicht als besonders helle. Dieser Eindruck ließe sich problemlos auch empirisch erhärten. Mit den Jahren ist viel belastendes Material zusammengetragen worden. Die verbalen Fehlleistungen von Fußballprofis füllen mittlerweile ganze Bücher. Andreas Möller unterlief der vielleicht bekannteste Lapsus: „Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien.“ Ein Klassiker, der anschaulich und prägnant wie kein anderer zu belegen scheint, dass professionelle Balltreter nur über einen eingeschränkten Horizont verfügen. In der Aufarbeitung des Geschehens auf dem Rasen kam es zwar zu einer Intellektualisierung des Fußballs. Trainergurus zerlegen heute wie Schachexperten Spielzüge bis ins kleinste strategische Detail und sprechen von polyvalenten Spielern, die auch antizipieren können müssen. Das Bild vom geistig minderbemittelten Fußballer hat sich jedoch im allgemeinen Bewusstsein festgesetzt. Wenn jemand nicht ganz ins Schema passt, wird er wie ein sprechender Vogel bewundert.

Unter der Schlagzeile „Der etwas andere Profi“ enttarnte letzte Woche eine Berliner Boulevardzeitung Hertha-Spieler Malik Fathi als eingeschriebenen Studenten. Die unweigerliche Schlussfolgerung lautete: „Herthas schlauster Kopf“. Das glaubt uns ja keiner, haben sich womöglich die Redakteure gedacht und flugs Beweisfotos geschossen. Darauf abgebildet: Fathi mit dicken Leitz-Ordnern vor dem altehrwürdigen Eingang der Humboldt-Universität. Und: Fathi, der im Kreis seiner Kommilitonen als Einziger den Finger streckt. Zu guter Letzt auch noch eine Aufnahme vom lesenden Fußballer.

Der Hertha-Student erklärt: „Ich will meinen Horizont erweitern.“ Er macht jetzt den Mono-Bachelor. Sportwissenschaften ganz ohne Nebenfächer. Nun hat Fathi einen Stundenplan. Montags um 8.03 Uhr ist er in der Sporthalle in Hohenschönhausen. Turnen (Theorie und Praxis) steht auf dem Programm. Pädagogik und Sportgeschichte muss er auch pauken. Schließlich wird Fathi wie jeder andere Student Referate halten.

Der Boulevard hat den Beweis erbracht: Es gibt ihn, den etwas anderen Fußballer, der sogar Sportwissenschaften studieren kann. Johannes Kopp