New balls, please

TENNIS Im Viertelfinale des Davis Cup verliert das DTB-Team gegen Frankreich. Nun muss es in die Relegation – und kann sich schon mal mit einem Neuaufbau beschäftigen

Beim Wiederaufbau kann sich das DTB-Herrentennis daran orientieren, was Barbara Rittner bei den Frauen geleistet hat

AUS FRANKFURT JÖRG ALLMEROTH

Als Niki Pilic am Samstagabend in einer ruhigen Kellerecke der Frankfurter Ballsporthalle über das deutsche Davis-Cup-Team sprach, da ging es nicht mehr um das Große und Glänzende oder auch um eventuelle Pokaltriumphe. Pilic, der Berater des deutschen Herrenteams, ist ein Mann, der weder nostalgisch in der Vergangenheit schwebt noch verklärt in die Zukunft blickt. Pilic weiß, was machbar ist. Und was nicht. Und so sagte er zu der früh besiegelten Erstrundenniederlage gegen Frankreich und zum Gang in die Relegation: „Wir haben eine Mannschaft, die in der Weltgruppe bleiben kann. Aber darum müssen wir hart kämpfen.“

Tatsächlich hat der Auftritt der Equipe des neuen Teamchefs Michael Kohlmann und seines Beraters Pilic gezeigt, wo Deutschland derzeit steht im Welttennis der Herren und im ältesten Nationenwettbewerb: in der Gefahrenzone zwischen Erster und Zweiter Liga, eine Fahrstuhlexistenz ohne Sicherheit.

„Von einer Mannschaft wie Frankreich trennen uns keine Welten, aber auf einer Stufe stehen wir auch nicht“, sagte Kohlmann nach seinem erwartungsgemäß verlorenen Debüt als Direktor des DTB. Aber, sagte der 41-Jährige: „Was das Teamgefühl angeht, haben wir trotzdem einen Neuanfang gemacht.“

Das Frankfurter Länderspiel war nur der Beginn einer langen, schweren Wegstrecke für das deutsche Herrentennis. Gebraucht wird jetzt das, was Boris Becker vor dem Duell mit Frankreich schon gesagt hatte: eine gemeinsame Kraftanstrengung, um in fünf bis zehn Jahren wieder eine Davis-Cup-Mannschaft zu haben, die nicht nur in der Weltgruppe, sondern auch um Titel mitspielt. Orientieren kann sich der Betreuerstab dabei, sehr naheliegend, am Aufbauwerk, das Barbara Rittner bei den Frauen vor genau zehn Jahren begann – von einem vergleichbaren Status quo aus.

Kohlmann verwaltet jetzt eine Übergangsmannschaft, bei der es darauf ankommt, dass sie nicht weiter an Boden verliert und dass das öffentliche Interesse am Herrentennis nicht komplett erlischt. Noch mehr ist der Teamchef in seiner zweiten Rolle gefordert: als angestellter DTB-Trainer für den Nachwuchs, als Nachwuchsförderer, als Talentscout, als Karriereberater für die Jungen und Jüngeren. „Michael ist dafür der richtige Mann“, sagt Niki Pilic über Kohlmann. „Er hat ein gutes Auge, hat einen Charakter, der Vertrauen schafft.“ Bei der Entwicklung der nächsten Tennis-Generation wird aber auch er, Pilic, dezent im Spiel sein, als geschulter Beobachter und Autoritätsperson.

Welchen Glanz der Name Pilic noch hat, sah man in den Augen der jungen B-Kader-Spieler, die nach Frankfurt eingeladen waren und gelegentlich als Sparringspartner für die Davis-Cup-Truppe agierten.

Kohlmann sprach in Frankfurt über personelle Alternativen, die noch bereitstünden im Davis Cup, er nannte dabei auch Florian Mayer, Tommy Haas oder Daniel Brands. Sie sind in der Tat stets eine Option, wenn sie fit und stark genug sind. Aber bei ihnen ist immer unklar, wie lange sie noch auf dem Court stehen werden. Der Teamchef und sein Trainerstab haben den Blick deshalb auch nach vorn zu richten. Und da kommt es für junge Spieler wie Jan-Lennard Struff und Peter Gojowczyk darauf an, im Alltagsbetrieb der Tour wieder über Erfolge und konstantes Wirken ausreichend Selbstbewusstsein aufzubauen. Nach Frankfurt kamen alle aus dem deutschen Team, ob nun der aktuelle Nummer-1-Spieler Philipp Kohlschreiber oder auch Struff, mit einer wenig berauschenden Bilanz in der Saison 2015. Kein Wunder, dass Kohlschreiber später eher über „mangelndes Zutrauen“ als über gesundheitliche Probleme lamentierte.

Nicht nur auf Kohlmann, Pilic und Co. wartet viel Arbeit, sondern auch auf die DTB-Spitze. Boris Becker spricht von „Kleinstaaterei und eigensinnigem Denken“ und fordert mehr Zentralismus und straffe Führung, ganz nach dem erfolgreichen französischen Vorbild.

Beckers Kritik traf bei DTB-Vize Dirk Hordorff auf offene Ohren: „Er hat genau und schmerzlich aufgezeigt, woran es bei uns krankt. Und was nun wichtig ist.“ Becker übrigens hatte angedeutet, dass er in einen Dialog mit der DTB-Spitze treten würde, um seine Vorstellungen, wie das Tennis in Deutschland wieder erfolgreich werden könnte, zu erklären. „Ich bin offen dafür“, sagt der dreifache Wimbledon-Sieger.