Eine Frau gegen den Rest der Welt

PREMIERE Es knistert und björkt im Bremer Kriminal-Theater – und die Lösung fällt vom Himmel

Uwe Seidel gelingen ganz wunderbare Typenporträts oft in Sekundenschnelle

Das klassische Krimiformat schlechthin dürfte – neben dem Film – der Roman sein in seiner ganzen Spannweite zwischen Trash und Dostojewski. Derweil die klassische Bühnenliteratur sich in dieser Hinsicht eher bedeckt zeigt. Weshalb der Trend zur Dramatisierung belletristischer Werke auf Bühnen wie dem Bremer Kriminal-Theater sozusagen immanent notwendig ist. Die Schwierigkeiten sind indes die gleichen wie bei anderen Genres. Man denke bloß an die Buddenbrooks, die in wenigen Stunden das Leben ganzer Generationen erzählen müssen. Und das ganze Personal!

Am Freitag führte das Bremer Kriminal-Theater nun vor, wie das trotzdem geht. „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ von Peter Høeg spielt nicht nur in drei sehr unterschiedlichen Landschaften (Kopenhagen, ein Schiff, das ewige Eis), sondern benötigt auch eine ganze Menge Personal – das hier kurzerhand auf ganze zwei Schauspieler verteilt wird. Wobei Martina Flügge sich voll auf die titelgebende Smilla konzentrieren darf – als enorm sympathische, tieftraurige, zerrissene Kratzbürste von überlegenem Intellekt. Uwe Seidel muss mit dem Rest der Figuren klarkommen: Er ist also Vati im Rollstuhl, arroganter Wissenschaftler, stotternder Nachbar, betrunkene Mutter, rücksichtsloser Karrierist, bekifft-genialer Übersetzer – und durchtriebener Bösewicht. Dabei gelingen ihm ganz wunderbare Typenporträts, oft übergangslos, in Sekundenschnelle. Derweil Flügge ihre Smilla in Ruhe entwickeln kann.

Die Bühne, die Regisseur Ralf Knapp selbst besorgt hat, zeugt von einem nicht minder bestechenden Umgang mit beschränkten ökonomischen Mitteln: Im ersten Teil gibt es im Wesentlichen eine papierne Wand, die ebenso für Eis und Schnee steht wie für die Wände, gegen die Smilla in ihrem Bestreben rennt, den Tod des Halb-Inuit-Jungen Isaiah aufzuklären. Und obendrein birgt sie den Ort des Geheimnisses, an dem sich die Geschichte schließlich auflöst. Dahinter liegt eine stilisierte Eislandschaft aus Noppenfolie (die beinahe knistert wie Schnee, läuft man darauf herum) und weißgekleideten Quadern.

Wobei hier die Geschichte, in der nicht allein eine durchaus spannende Handlung entfaltet wird, sondern auch höhere Mathematik, Alltagsrassismus und Kolonialgeschichte eine entscheidende Rolle spielen, ihre Schwäche hat: Ein höchst rätselhafter Meteor ist der Deus ex Machina, der dem komplex entwickelten Plot seine Auflösung gibt. Was allerdings der Freude an diesem seine Spannung komplex entwickelnden Theaterabend keinen Abbruch tut.

ANDREAS SCHNELL

12.-14., 19.-21. & 26.-28. 3., jeweils 20 Uhr, Bremer Kriminaltheater;

www.bremer-kriminal-theater.de