: Von Beuys und Banksy
STREETART Über Banksys Schablonenbild wurde mit blauer Farbe und in falscher Schreibweise „Grafitti“ gesprüht. Das ist Kunst auf der Straße und die muss sich einen solchen Kommentar gefallen lassen
In Hamburg wurde Ende Februar ein Bild des Street-Art-Künstlers Banksy mit etwas Farbe vollgekleckert und alles steht Kopf. „Schmiererei tropft auf Kunst“, „Unbekannter zerstört letzten Banksy Deutschlands“ – dies sind nur zwei der darauf folgenden Schlagzeilen. Wenn in diesen Tagen von Zerstörung von Kunst die Rede ist, liegen die Bilder bärtiger Männer, die mit Schlaghämmern auf altertümliche Tempelfiguren einschlagen, sehr nahe. Ist es wirklich so schlimm in der Hamburger Neustadt? Waren hier antimoderne Reaktionäre am Werk? Nein.
Aber beginnen wir doch mit Joseph Beuys. Einfach, weil er auch mit B anfängt. Und es einige schöne Geschichten über Eingriffe in seine Arbeiten zu erzählen gibt. In den späten 1970er-Jahren etwa soll der Schweizer Künstler Dieter Roth in der Düsseldorfer Kunsthalle eine von Beuys’ Installationen zertrampelt haben. Aus Wut und Neid, wie er später gestand. Besucher hatten sich auf Roths Ausstellungsbeitrag, eine Campinggarnitur, gesetzt. Vollkommen ignorant. Von dort aus bewunderten sie das Beuys’ Werk. Dieser nahm dem Kollegen seinen Wutanfall nicht übel und erklärte, es handele sich bei der zerstörten Arbeit nun um ein Gemeinschaftswerk. Beuys humorvoller Umgang war programmatisch für Fluxus und Neuen Realismus.
Beuys und Roth waren Künstler, die sich durch die Verwendung von verderblichen Materialien und billigen Auflagen über den traditionellen Werkbegriff lustig machten. Der eine nähte sich Heringe ans Hosenbein, der andere schuf ganze Serien von Büsten aus Schokolade. Beide stellten Kunstmarkt und Kunstgeschichte vor konservatorische Probleme.
Anonymer Künstler
Banksy gilt als der populärste Vertreter der Street Art. Es gibt einen Film über ihn, in dem er sich – als echter Straßenaktivist – natürlich anonym hält. Seine Arbeiten werden bereits seit Jahren in Museen gezeigt und erreichen auf Auktionen beachtliche Summen. Programmatisch für Street Art steht nicht zuletzt ihr provisorischer, flüchtiger Charakter. Sie soll klandestin und schnell in den öffentlichen Raum eingreifen. Sie reagiert auf ihre Umgebung und wünscht in gleicher Weise, dass man mit ihr umzugehen habe.
Die Aufregung um den Hamburger Banksy basiert auf einigen Missverständnissen, die dem gesamten Umgang mit Street Art anhaften. Ästhetisch ist das Zeug, das da produziert wird, langweilig, politisch ein Allgemeinplatz. Auf der Straße sagt man, es sei Kunst, weil es auch in Museen vorkommt. In den Museen sagt man, es sei so jung und radikal, weil es von der Straße kommt. Auf diese Weise stehen sich die Ansprüche, die Street Art erfüllen soll, gegenseitig im Weg. Erfüllt werden kann nichts.
Was unterscheidet qualitativ ein während eines Sprayer-Konvents an die Mauer geratenes Schablonenbild von seinem ebenfalls gesprühten Kommentar? Über Banksys wertvollem Mädchen, das eine Rakete umarmt, wurde in blauen Buchstaben und falscher Schreibweise „Grafitti“ gesprüht. Die Farbe läuft wie Regen über das Bild der Umarmerin. Ihr Platz ist die Straße und hier muss sie sich einen solchen Kommentar gefallen lassen. Eine Holzkonstruktion soll das Kunstwerk jetzt aber vor weiteren Angriffen schützen.
Im Übrigen zeigte Eva Beuys weit weniger Humor als ihr verstorbener Mann. Als im vergangenen Sommer die Künstler André Korpys, Markus Löffler und Dieter Schmal Teile der berühmten Düsseldorfer Fettecke zu Schnaps verarbeiteten, empörte sich die Witwe des Künstlers lautstark. In Hamburg gibt es derzeit ein, zwei, viele Eva Beuys. RADEK KROLCZYK
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