Risikostraftäterdatei geplant

Justizsenator Lüdemann (CDU) will rückfallgefährdete Sexual- und Gewaltstraftäter nach ihrer Entlassung stärker überwachen. Computerakte macht die Betreffenden für die Behörden gläsern

VON GERNOT KNÖDLER

Der Senat will aus der Haft entlassene Sexual- und Gewaltstraftäter stärker überwachen, sofern ihnen ein hohes Rückfallrisiko attestiert wird. Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) kündigte gestern an, er werde zum 1. Januar 2008 eine „Risikostraftäterdatei“ einführen, zu der die Behörden Zugang hätten. Außerdem soll diese Gruppe von Haftentlassenen in Zukunft „besonders intensiv betreut und kontrolliert werden“. Die SPD lobte das Konzept im Grundsatz: „Wir freuen uns, dass der CDU-Senat unsere Forderung aufgegriffen hat, in die Datei nicht nur Sexualstraftäter, sondern auch gefährliche Gewaltstraftäter aufzunehmen.“ Die Zunahme der Gewalttaten in jüngster Zeit sei ein großes Problem. Der Anwalt Ernst Medecke bezweifelte die Zulässsigkeit der Straftäterdatei.

Rückfallgefährdete Straftäter werden nach ihrer Entlassung schon heute unter „Führungsaufsicht“ gestellt. In der Regel sind das Häftlinge, die ihre Haftstrafe anders als üblich bis zum Ende verbüßen müssen. Ihnen wird unterstellt, dass die Resozialisierung im Knast nicht gelungen ist und sie hochgradig rückfallgefährdet sind. Einen Teil dieser Haftentlassenen, als besonders gefährlich geltende Sexual- und Gewaltstraftäter will Lüdemann künftig von besonders qualifizierten Bewährungshelfern betreuen lassen – bei einem besonders günstigen Betreuungsschlüssel. 250 Menschen umfasst zurzeit die Zielgruppe. Für ihre intensive Betreuung sollen sechs neue Stellen geschaffen werden.

Lüdemann will außerdem die Strafvollstreckungskammern am Landgericht, die Gefängnisse, medizinische Einrichtungen, die Staatsanwaltschaft und die Polizei in die Überwachung der Entlassenen einbeziehen. Der Hamburger Strafverteidiger Ernst Medecke hält das für rechtswidrig. Es sei allenfalls sinnvoll, die Polizei neben den Bewährungshelfern einzubinden.

Auch die Zulässigkeit der Risikostraftäterdatei hält Medecke für fraglich. Darin sollen Lüdemann zufolge alle einschlägigen Akten zu den Entlassenen wie Urteile, Gerichtsbeschlüsse oder Therapien gesammelt werden. Auf die Datei sollen Behörden bis hinab zum Polizeirevier zugreifen können. Die Datei könne im Falle eines Umzuges auch an die Behörden anderer Bundesländer weitergereicht werden, sagte der Senator.

Medecke kritisiert, dass mit der Datei Haftentlassene stigmatisiert würden. „Das sind keine Straftäter, sondern Leute, die Straftaten begangen und dafür gebüßt haben“, sagt er. Lüdemann warf er vor, die Betreuung der Häftlinge im Gefängnis zu vernachlässigen. „Lüdemann produziert die Leute für seine Datei“, sagte er. „Wenn er vorher im Vollzug ansetzen würde, gäbe es weniger Leute, die in die Datei gehörten.“

Ohne weiteres könnten sogar Unschuldige in die Datei geraten – und damit auf lange Sicht ins Visier der Polizei. Frühzeitig entlassen, weil als resozialisiert geltend, werden nur Häftlinge, die am Vollzugsziel mitarbeiten. Dazu gehöre es, sich mit seiner Straftat auseinander zu setzen, sagt Medecke. Das führe dazu, dass sich unschuldig Verurteilte zu Verbrechen bekennen müssten, die sie gar nicht begangen hätten, um vorzeitig entlassen zu werden.