Hauptsache Rendite

WOHNEN II Die ehemals kommunale Wohnungsbaugesellschaft GSW verkauft zum 1. April 6.000 Wohnungen in sozial schwierigen Gebieten. Ein Dämpfer für die Berliner Wohnungspolitik

Fraglich ist, was der Investor, der angeblich längerfristig planen will, vorhat

Auf dem Berliner Wohnungsmarkt steht der größte Immobilienverkauf der letzte Monate an, der der Wohnungsbaupolitik des Senats einen empfindlichen Dämpfer verpassen dürfte.

Die ehemals kommunale „Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft“ (GSW) – heute ein Teil der börsennotierten Deutsche Wohnen AG – verkauft nach taz-Informationen zum 1. April knapp 6.000 Wohnungen, die allesamt in sozial schwierigen Gebieten liegen. Käufer ist ein ausländischer Investor. Ebenfalls im Frühjahr zieht die GSW aus dem bekannten „GSW-Hochhaus“ in Kreuzberg aus, wie Deutsche-Wohnen-Sprecherin Manuela Damianakis der taz bestätigte.

Die verkauften Wohnungen, die rund zehn Prozent der Berliner Bestände der GSW ausmachen, liegen in der Spandauer Großsiedlung „Heerstraße Nord“ in der Obstallee und im Zabel-Krüger-Damm in Reinickendorf. Sprecherin Manuela Damianakis wollte den Verkauf weder bestätigen noch dementieren. Aus Unternehmenskreisen ist zu hören, dass die Anlagen, die aus den Sechzigern und Siebzigern stammen, nicht zur neuen Ausrichtung passen, wonach man sich auf „höherwertige“ Bestände konzentrieren wolle.

Die Nachricht kommt zu in einem Zeitpunkt, in dem der Senat angesichts der Wohnungsknappheit seinen Einfluss durch verstärkten Neubau und Zukäufe erhöhen und für einkommensschwache Mieter mehr Wohnraum bieten will.

Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften wollten sich nicht dazu äußern, ob sie Interesse an den Anlagen der GSW hatten. Aus politischen Kreisen ist allerdings zu hören, dass einige Wohnungsbaugesellschaften mitgeboten haben – jedoch den vom Investor offenbar gezahlten Quadratmeterpreis von 1.000 Euro bei weitem nicht aufbieten konnten. Maximal habe man 640 Euro zahlen können. Auch die landeseigenen Gesellschaften seien zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet, heißt es.

Reinickendorfs Bezirksstadtrat Martin Lambert (CDU), zuständig für Stadtentwicklung, wusste nichts vom Verkauf der 2.500 Wohnungen im Bezirk. „Es wäre erfreulich gewesen, wenn eine städtische Wohnungsbaugesellschaft die Bestände gekauft hätte. Die Anlagen sind stark sanierungsbedürftig“, sagte Lambert der taz.

Fraglich ist, was der Investor, der angeblich längerfristig planen will, vorhat. Eigentlich müssten die Wohnungen, deren Böden teils mit Asbest belastet und die mit energiefressenden Nachtspeicherheizungen ausgestattet sind, saniert werden. Doch ist dies eher unwahrscheinlich, weil die Mieten in der Lage nur begrenzt erhöht werden können. Es kann also sein, dass der Investor die Bestände weiter herunterwohnen lässt und Abschreibungsvorteile nutzt.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, sagte der taz, dass die Privatisierung der GSW „ein gravierender Fehler“ gewesen sei. „In Spandau haben wir schlechte Erfahrungen mit privaten Käufern gemacht, weil Hausmeisterdienste ausgedünnt und Reinigungsintervalle vergrößert wurden. Leidtragende sind am Ende immer die Anwohnerinnen und Anwohner“, sagte Saleh, der direkt gewählter Abgeordneter aus Spandau ist. Es sei richtig, dass die öffentlichen Wohnungsbauunternehmen wieder Wohnungen zukaufen und neu bauen und das Land die Privatisierungspolitik der Vergangenheit korrigiere.

Die andere Nachricht: Ab Mai wird das markante „GSW-Hochhaus“ an der Rudi-Dutschke-Straße knapp zur Hälfte leer stehen. Die verbliebenen Angestellten – die GSW hatte sich zuletzt von 100 Mitarbeitern getrennt – werden laut einem Mitarbeiterbrief, der der taz vorliegt, auf verschiedene Standorte in Berlin verteilt. Schon vor zehn Jahren hatte die GSW das Haus kurz nach ihrer Privatisierung an einen Investor verkauft. Jetzt läuft der Mietvertrag aus.

Das hochgelobte, vom Architekturbüro Sauerbruch Hutton entworfene Gebäude hatte ironischerweise den Niedergang der einst kommunalen GSW beschleunigt. Der 1999 fertiggestellte Bau kostete fast 200 Millionen Mark und war für die damals hochverschuldete GSW viel zu teuer. Die aufwändigen Doppelfassaden sollten den Energieverbrauch des Hauses reduzieren. In der Praxis haben die Mieter mit enormen Betriebskosten zu kämpfen, weil die empfindliche Technik regelmäßig repariert werden muss.

Wer Nachmieter der GSW sein wird, ist noch unklar. Inzwischen soll es wieder zu einem Eigentümerwechsel gekommen sein.

GUNNAR HINCK