Die diffuse Spur der Intuition

Die Ausstellung „into it“ will in Hildesheim dem Irrationalen nachspüren, ohne esoterisch zu werden. Zusammengekommen sind großteils streng formale Arbeiten. Das intuitivste aller Genres aber – die Malerei – wird ängstlich ausgespart

Eigentlich müssten zu dieser Ausstellung alle Künstler dieser Welt eingeladen werden. Denn intuitiv arbeiten sie alle. Kein Grund also, einzelne herausgreifen, die das Phänomen besonders plastisch illustrieren. Aber eine solch universelle Einladung hat er natürlich nicht ausgesprochen, der Kurator der morgen eröffnenden Ausstellung „into it“ im Hildesheimer Kunstverein. Thomas Thiel behauptet auch nicht, dass das Thema Intuition neu wäre. Aber es sei lange nicht in der Kunst diskutiert worden. „Und diese Lücke“, sagt Thiel, „möchte ich schließen.“

Keine leichte Aufgabe, denn illustrativ ist dem Phänomen ja gerade nicht beizukommen. Auch stellt sich die Frage, ob die Didaktik einer solchen Ausstellung stimmig sein kann, denn sie kann doch allenfalls mit den Resultaten intuitiven Arbeitens aufwarten und sagt über den Prozess selbst wenig aus. Und zweifelhaft ist schließlich, dass ein solches Konzept den Künstlern gerecht wird: Die schätzen die Reduktion aufs diffus Genialische meist nicht. „Den Geniebegriff“, beteuert Thiel dann auch schnell, „möchte ich nicht aufwärmen.“

Entsprechend hoch ist in der Schau der Anteil streng formaler Arbeiten. Denn abgesehen von einer Sand-Arbeit Michael Beutlers auf dem Vorplatz des Kunstvereins gibt es vor allem Multimediales zu sehen: Video-Arbeiten von Christoph Girardet und Volker Schreiner etwa, die Betrachter-Reaktionen auf Kunst festhalten. Oder Websites von Miltos Manetas, der sich mit dem hoch intuitiven Jackson Pollock befasst. Und Videos von Falke Pisanos, die Bearbeitungen von Fotos der Skulpturen Eduardo Chillida zeigen. Genau genommen müsste die Ausstellung also eher „Rezeptionstechniken“ heißen. Einen roten Faden zu nennen fällt Thiel dementsprechend schwer. Er habe, sagt er, das Thema angesichts der Tatsache, „dass die Hirnforschung derzeit boomt und Bücher über die Logik des Bauchgefühls erscheinen“, aktuell gefunden und verschiedene künstlerische Ansätze präsentieren wollen.

Befriedigend sind die aber wohl auch für ihn nicht. Denn einerseits offenbare seine Ausstellung, „dass das Web deutlich weniger Freiheit – und somit Intuition – zulässt als die konventionelle weiße Leinwand“. Andererseits hat er bewusst keine Malerei präsentiert, weil man „im Gestischen ohnehin Intuition vermutet“. Und auf dieses Klischee wollte er sich nicht festlegen lassen. Kurzum: Eine Ausstellung voller Ambivalenzen, die wohl die latente Angst der Kurators vor dem nicht Fassbaren spiegelt – und damit exakt das Problem der Wissenschaft mit dem Nachweis des Irrationalen.

Überraschend ist das nicht. Denn im Hauptberuf ist Thomas Thiel Kurator am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Da hat er mit Intuition vielleicht eher wenig zu tun. Die Idee der Hildesheimer, die ihn als Gastkurator einluden, muss ihn also einerseits gereizt haben. Aber ein bisschen beunruhigt hat sie ihn wohl auch. PETRA SCHELLEN

Eröffnung: morgen, 19 Uhr, Kunstverein Hildesheim; bis 27. 1. 2008