Front National unter Verdacht

FRANKREICH Parlamentspräsident Martin Schulz lässt prüfen, ob Mitarbeiter des Front National abkassieren, ohne im EU-Parlament überhaupt zu arbeiten. Das wäre Betrug

Die Assistenten arbeiten ohnehin „nicht für die Europäische Union, sondern gegen sie“

FN-VIZE F. PHILIPPOT

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Der rechtsextreme Front National von Marine Le Pen lässt in der Regel kein gutes Haar an der EU und hat mit den Angriffen auf die Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft enorm viel Zulauf in Frankreich. Jetzt hat Brüssel den Spieß umgekehrt und attackiert die EU-Gegner des FN. Der Vorsitzende des EU-Parlaments, Martin Schulz, hat dazu das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (besser bekannt unter der Abkürzung Olaf) eingeschaltet. Es soll abklären, ob 20 auf Kosten der EU beschäftigte parlamentarische Mitarbeiter der 24 EU-Abgeordneten des FN in Wirklichkeit fast ausschließlich in Marine Le Pens Parteizentrale in Nanterre bei Paris für den FN tätig sind statt in Straßburg oder Brüssel. Schulz hat seine Bedenken zur Überprüfung auch ans Pariser Justizministerium weitergeleitet.

Der Vorwurf der Unterschlagung und der Geldwäsche ist gravierend, denn es geht laut Le Monde immerhin um mehr als 7,5 Millionen Euro, die laut der Anschuldigung seit Beginn der Legislaturperiode für die Finanzierung von Parteiaktivitäten des FN abgezweigt worden seien.

Den Angaben zufolge seien ein Teil der 20 Mitarbeiter im Organigramm des FN als Berater von Parteichefin Marine Le Pen oder des Ehrenpräsidenten Jean-Marie Le Pen aufgeführt, andere wiederum hätten Aufgaben in diversen Wahlkreisen in Frankreich, die kaum „direkt mit der Ausübung des Parlamentsmandats der Europaabgeordneten“ zusammenhängen.

Marine Le Pen hat diese Vorwürfe auf Twitter als „Verleumdung“ bezeichnet. Der FN-Vizepräsident Florian Philippot hatte nur Spott und Ironie als Antwort. Schulz habe in gewisser Weise recht, denn die fraglichen Assistenten arbeiteten tatsächlich „nicht für die Europäische Union … sondern gegen sie“. Der FN fordert den Austritt Frankreichs aus EU und Euro.

Diese Affäre kommt zu einem Zeitpunkt, wo der FN laut Umfragen bei den Departementswahlen am 22. und 29. März einen historischen Durchbruch erzielen könnte. Derzeit wird den FN-Listen ein Stimmenanteil von 30 Prozent oder mehr vorausgesagt. Der FN wäre damit mit Abstand die stimmenstärkste Partei Frankreichs. Die regierenden Sozialisten, die bisher in 61 von 101 Departements eine Mehrheit hatten, könnten dagegen auf unter 20 Prozent sinken, sie müssen mit einer verheerenden Schlappe rechnen. Premierminister Manuel Valls hatte angesichts dessen erklärt, er fürchte, dass sein Land am FN zerbreche. Bereits für die Präsidentschaftswahlen von 2017 stehe der FN „vor den Toren der Macht“. Offenbar hofft Valls, mit seinem dramatischen Appell die eigenen Wähler zu mobilisieren, von denen viele aus Enttäuschung über ausbleibende Ergebnisse oder aus Unmut über den Regierungskurs diese Wahlen boykottieren wollen. Die FN-Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen vermutet, dass die französische Regierung hinter den Anschuldigungen steht und dass der „politische Aktivist Schulz“ auf „Order“ von Valls handelte.