Zahlenstreit um Kohle

Nach dem „dummes Zeug“-Vorwurf von Umweltminister Gabriel fordert Greenpeace Aufklärung über Kohlekraft

FREIBURG taz ■ Die Kritik von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel an der Arbeit von Greenpeace hat einen Zahlenstreit über den Bau neuer Kohlekraftwerke ausgelöst.

Gabriel hatte am Dienstag über Greenpeace gesagt: „Das ist eine hochehrenwerte Organisation, aber sie erzählt einfach dummes Zeug.“ Gabriel ärgert sich darüber, dass Greenpeace mit seinen Aussagen Deutschlands Rolle auf der Klimakonferenz im Dezember in Bali schwäche. Man werde international wohl kaum Mitstreiter finden, wenn der Eindruck entstehe, in Deutschland werde nichts getan.

Greenpeace wies die Vorwürfe Gabriels am Mittwoch zurück: „Gabriel hat versucht, Greenpeace als Überbringer der schlechten Nachrichten den Schwarzen Peter zuzuschieben“, sagte Klimaexperte Andree Böhling. „Aber solange in Deutschland der Bau von 25 Kohlekraftwerken weiterverfolgt wird, kann Gabriels Klimaschutzkonzept nicht funktionieren.“

Gerade an der Zahl der geplanten Kohlekraftwerke hatte sich der Streit entzündet. Gabriel hatte am Dienstag erklärt, es würden in Deutschland lediglich neun neue Kohlekraftwerke gebaut und nicht, wie von Greenpeace behauptet, 25.

Über diese Zahl wird in den letzten Wochen zunehmend spekuliert, weil tatsächlich absehbar ist, dass sich die Zahl der Projekte stark reduzieren wird. Ausschlaggebend sind dafür mehrere Faktoren, unter anderem Proteste der Anwohner an den jeweiligen Standorten.

Hinzu kommen rapide steigende Preise für Neuanlagen, weil Rohstoffe wie etwa Stahl deutlich teurer geworden sind. Das beobachtet auch der Fachverband der Strom- und Wärmeerzeuger VGB PowerTech. Die Stromkonzerne tendierten dazu, Neubauprojekte zu verschieben, weiß VGB-Ingenieur Hans-Joachim Meier: „Der Preis der Anlagen ist in den letzten zwei Jahren um 60 Prozent gestiegen.“ Außerdem setzt sich in der Stromwirtschaft zunehmend die Erkenntnis durch, dass sich Kohle bei einem funktionierenden Emissionshandel kaum noch rechnen kann.

„Dass die Zahl der Projekte reduziert wird, beobachten wir auch“, sagt Greenpeace-Experte Böhling: „Das ist ja gerade unser Ziel.“ Er forderte Gabriel auf, die Karten auf den Tisch zu legen, wenn er über Zahlen verfüge, die deutlich niedriger lägen. „Herr Gabriel, sagen Sie uns, welche dieser 25 Kraftwerke nicht gebaut werden.“

BERNWARD JANZING