„Keine unpolitische Enklave“

VORTRAG Der Journalist und Buchautor Christoph Ruf informiert über die Ultra-Szene der Fußballfans

■ 43, studierte Politikwissenschaften und schreibt als freier Autor u. a. für die Frankfurter Rundschau, taz und Stern.

taz: Herr Ruf, wie politisch ist die Ultra-Szene?

Christoph Ruf: Das variiert natürlich, aber grundsätzlich gilt hier mittlerweile der Konsens, dass es keinen Sinn hat so zu tun, als sei ausgerechnet der Fußball eine unpolitische Enklave in der Gesellschaft. Das Politische fängt ja bereits bei einer Aussprache gegen bestimmte Anstoßzeiten oder gewisse Willkürmaßnahmen an. Die meisten Ultra-Gruppen sind aber politisch links einzuordnen. Sicherlich gibt es aber auch hier Ausnahmen.

Gibt es einen Einfluss von rechts auf die Szene?

Na ja, der Fußball unterlag ja immer schon starken Einflüssen von rechts. Vor etwa 25 Jahren, als noch die gewaltbereiten Hooligans die tonangebende Kraft in den Stadien waren, war offener Rassismus durchaus gang und gäbe. Seien es rassistische Beleidigungen oder auch homophobe Sprüche, die dann von einer halben Fankurve skandiert wurden. Das ist heute in der ersten und zweiten Liga undenkbar.

Wo sind die Rechten hin?

Sie sind heute natürlich nicht aus dem Stadion verschwunden. Sie äußern sich nur nicht mehr so offen und häufig. Dennoch haben rechte Hooligans in vielen Städten, in denen sich die Ultras deutlich links positioniert haben, wie etwa in Duisburg, Düsseldorf oder Aachen, darauf gewalttätig reagiert und wollten sie daran hindern, sich öffentlich gegen Diskriminierung zu äußern.

Wie hat sich die Fan-Szene in Hamburg entwickelt?

Die Ultras des FC St. Pauli haben sich in der Tradition dieses Vereins stark links und antirassistisch positioniert. Da herrscht eine klare Kontinuität. Beim Hamburger SV war die Stimmung in der Fankurve Anfang der 90er-Jahre noch offen rechts. Das hat sich in der Folge mit dem Aufkommen der Ultra-Szene stark gebessert.

Was hat es mit Slogans wie „Gegen den modernen Fußball“ auf sich, wie sie oft aus Reihen der Ultras kommen?

Vereine wie RB Leipzig stehen aus Sicht der Ultras für all das, was sie am modernen Fußball ablehnen – sprich, einfach aus dem Nichts einen Verein zu implantieren und sich mit viel Geld den Erfolg zu kaufen. Es ist schon eine Horrorversion, in fünf Jahren vielleicht noch den FC Bayern München zu haben und als Verfolger noch Hoffenheim, Ingolstadt und Leipzig. Das wäre eine erste Liga, da würde ich die Sportschau dann auch abschalten.  INTERVIEW: FAL

Lesung „Kurvenrebellen. Die Ultras“: 19.30 Uhr, Clubheim des FC St. Pauli, Heiligengeistfeld 1