Tanzen und dann schlafen

Das Dresdner Label Uncanny Valley trägt seit einigen Jahren kontinuierlich zur Erweiterung des House-Begriffs bei – mit Musikern, die ihre Produktionen gern etwas ungekämmt lassen, damit es in den Stücken nicht allzu ordentlich zugeht, und die bei den Genrezutaten schon mal Dinge zusammenrühren, die auf den ersten Blick kaum koexistenzfähig scheinen.

Anders als der Labelname vermuten lassen könnte, findet man auf den Veröffentlichungen von Uncanny Valley nicht sonderlich viele der dunkel-bedrohlichen Klänge, wie sie seit einiger Zeit in der Clubmusik auf dem Vormarsch sind. Vielmehr verströmen die „UV“-Platten, so das Katalogkürzel, einen fast ungestümen Optimismus: Die Welt mag ihre Probleme haben, aber warum muss man das in seinen Tracks immer mitschwingen lassen, wenn es doch eigentlich ums Feiern geht?

Der in Berlin lebende Schwede Joel Alter hat wohl ähnlich gedacht, als er sich an sein Solodebütalbum setzte. Bisher war der House-Produzent vor allem als eine Hälfte des Duos Jonsson/Alter in Erscheinung getreten und hatte da anfangs noch etwas düster geklungen. Auf „Heart“ jedoch dominiert eine allenfalls leicht melancholisch eingefärbte Pop-Euphorie, die sich besonders in den Tanzflächen-Songs „22 Hours“ und „Everlasting“ mit den Gastsängern Luvinsky Atche und Christoffer Berg niederschlägt. Und im instrumentalen „Mecca“ sagt der federnde Bass ziemlich unmissverständlich: „Leute, ihr sollt tanzen!“

Entspannen kann man sich später: Versuchsweise vielleicht sogar mit einem „Afterhour“-Album der ungewöhnlicheren Art, wie es die ebenfalls in Berlin lebende russische Techno-Produzentin Dasha Rush unter dem Titel „Sleepstep – Sonar Poems for My Sleepless Friends“ vorgelegt hat. Das Konzept der Musik für schlaflose Stunden hat sich jedenfalls bewährt, die „Goldberg-Variationen“ von Bach sollen ja für einen ähnlichen Zweck entstanden sein.

Rush nimmt ihre Bezeichnung „Sleepstep“ insofern ernst, als sie rhythmische Effekte einbaut – oft ohne einen Beat im engeren Sinne zu verwenden –, deren nervös-flackernde Bewegung an die Stolperrhythmen des Dubstep gemahnen. Vielleicht ist es aber auch das Rapid Eye Movement, das sie auf diesem Wege vertonen wollte. Nachtstücke mit einer ganz eigenen Art von Unheimlichkeit, die ihren Klangdichtungsanspruch mit immer neuen Mitteln einlösen. TIM CASPAR BOEHME

■ Joel Alter: „Heart“ (Uncanny Valley)

■ Dasha Rush: „Sleepstep – Sonar Poems for My Sleepless Friends“ (Raster-Noton/Rough Trade)