KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Die „Entdeckung“ ist so ein Euphemismus für europäischen Kolonialismus. Letzte Woche stieß ich in Lissabon auf das Padrão dos Descobrimentos, das 52 Meter hohe Denkmal der Entdeckungen. Ein Who’s who der Missionare, Kartografen und Kolonialgouverneure. Sie quetschen sich hinter Heinrich den Seefahrer – sieht ein bisschen so aus wie Lemminge vor dem Absprung.

 Im Rahmen des „Return to Sender“-Festivals am HAU koppeln Boyzie Cekwana und Nina Støttrup Larsen ähnliche Referenzen aus der Kolonialzeit mit Medienkritik. In der Installation „Banana Republics – Here be Dragons“ hat man sich auf einem Kamera-Live-Feed beim Rumlaufen selbst im Augenwinkel. Im fiktiven Newsticker „Wunschdenken“ erklärt Merkel, dass sie sich von nun an für Reparationen für den europäischen Kolonialismus einsetzt. Daneben komplette Ablehnungsstimmung während der Reparationsdebatte 1996 im Britischen Parlament. Der Kontrast zwischen Vision und Sachlage zeigt, wie neokolonial und kapitalistisch der Widerstand gegen solche Forderungen ist. Ein bedrucktes Absperrband fasst das als „Discovery Doctrine“, Entdeckungsdoktrin, zusammen. Weil man nichts entdecken kann, das es schon gibt, wurden nämlich seit dem 15. Jahrhundert begehrte Gebiete zur Terra nullius, zum nach europäischen Standards „unkultivierten“ Niemandsland erklärt. So wollten die kolonialen Abgesandten Besetzung legitimieren (12.+14. 3., 18–21 Uhr; 13. 3., 19–22 Uhr, Stresemannstraße 29).

 Kartierungsprozesse hat auch William Kentridge seit 2001 in seine großformatigen Wandteppicharbeiten eingeflochten. Einige Titel in der Galerie Kewenig rekurrieren sowohl auf unschuldige Alltagsmotive, etwa eine Dusche, als auch auf alte Landkarten, die Kentridge mit gerupftem Papier beklebt und dann in die Teppichmotive übersetzt hat (Mo.–Sa., 10–18 Uhr, Brüderstr. 10).

 Zurück im HAU: Mehdi-Georges Lahlou porträtiert sich in seiner Ausstellung „Rendez-vous sur la Corniche“ im HAU2 als Kopf der Nofretete. Die prangt momentan als Konterfei der „The Wyld – Nicht von dieser Welt“-Revue mit Alien-Lichtstrahl im fehlenden Auge auf Plakatwänden in der Stadt. Um den Streit über die Rückführung der Büste nach Ägypten, der sich schon seit 1924 hinzieht, geht es aber nicht. Die Verhandlungen sind mindestens so anstrengend wie Lahlous 30-Kilometer-Spaziergang auf roten Highheels, als Video läuft. Er trägt sie betend, rennend und beim Hürdenlauf. Mit seinen queer-femininen Attributen führt er die Idee sakraler Religionen und singulärer Kulturen – ganz weltlich – ad absurdum (12.+14. 3., 18-23; 15. 3., 18–21 Uhr, Hallesches Ufer 32).