piwik no script img

THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Die Kinder der 68er-Generation werden auch schon so langsam fünfzig. Das Jahr 1968 ist von unserem Jahr 2015 inzwischen ja auch ungefähr so weit entfernt, wie es 1968 das Ende des Ersten Weltkriegs war. Die Geschichte dieser bewegten Jahre ist längst Teil des kollektiven Gedächtnisses. Besonders die amerikanische Bürgerrechtsbewegung ist gerade medial sehr präsent. Im Geschichtsdrama „Selma“ von Ava DuVernay über Martin Luther King zum Beispiel, der für zwei Oscars nominiert war und einen auch bekam. Die Regisseurin war damals außerdem die erste schwarze Regisseurin, die je für den Golden Globe nominiert worden ist. Martin Luther King steht jetzt auch im Zentrum einer Produktion in der Vagantenbühne an der Kantstraße in Charlottenburg. Das Erfolgsstück „The Mountaintop“ der 33jährigen US-Dramatikerin Katori Hall erzählt von einer (fiktiven) Begegnung Martin Luther Kings im Hotel in der Nacht vor seiner Ermordung am 4. April 1968 in Memphis. Die Premiere zeigt die Originalfassung des Stücks, findet also in englischer Sprache statt. Die deutschsprachige Erstaufführung „Die letzte Nacht des Martin Luther King“ folgt dann mit der gleichen Besetzung (u. a. mit Ricky Watson als Martin Luther King) am 8. April. Regie führt in beiden Sprachen Andreas Schmidt. Bei den Vaganten ist Schmidt unter anderem verantwortlich für einen der größten Erfolge des Hauses: Shakespeares sämtliche Werke an einem Abend. Einem großen Publikum ist Schmidt aber vor allem als Film- und Fernsehschauspieler bekannt (Vagantenbühne: „The Mountaintop“, ab 18. März., 20 Uhr).

Die Titel der Stücke von René Pollesch haben stets auch einen aphoristischen Mehrwert. Sind kleine Dramen im Twitterformat. Der neue Wurf heißt nun mit „Von einem der auszog weil er seine Miete nicht mehr zahlen konnte“. Sehr frei nach den Brüdern Grimm, könnte man sagen und möglicherweise dafür ziemlich nah dran an Berliner Gentrificationrealitäten. (Auch wenn Polleschs Titel nie zwingend auch inhaltlich mit den Stücken zu tun haben müssen, die sie überschreiben). Das Spezielle an diesem Abend ist, dass Pollesch ihn diesmal mit Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow entwickelt hat und es sich nicht um Sprech-, sondern Musiktheater handelt. Um eine Art Oper gar, ist vorab zu hören. Und dass, obwohl von Lowtzow eigenem Bekunden zufolge überhaupt keine Noten lesen, nicht orchestrieren und schon gar nicht arrangieren kann. Allerdings kann man schwer davon ausgehen, dass beide ziemlich genau wissen, was sie tun. (Volksbühne: „Von einem der auszog weil er seine Miete nicht mehr zahlen konnte“, Premiere 12. 3., 19.30 Uhr).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen