Wohltaten im Wahlkampf-Wunderland

Mit der SPD wird in Hamburg alles besser. Sagt ihr Spitzenkandidat Michael Naumann und will beispielsweise die Studiengebühren abschaffen. Doch er verschweigt seinen Wählern lieber, wie er das Wunschkonzert bezahlen will

Der Kandidat windet sich. Nein, er werde jetzt „keine Haushaltseinzelpläne präsentieren“. Nein, es werde keine „schmerzfreie Zone“ geben, aber konkrete Kürzungen seien Zukunftsmussik, da sie noch mit dem zukünftigen Koalitionspartner abgesprochen werden müssten. Ja, der SPD-Haushaltsentwurf sei solide durchfinanziert, aber er, Michael Naumann, werde jetzt „keine weiteren Details“ verraten. Und daran hält sich der Mann, der am 24. Februar neuer Hamburger Bürgermeister werden will, dann auch.

Zunächst hatte Michael Naumann gestern in der Hamburger Parteizentrale, dem Kurt-Schumacher-Haus, die „Eckpfeiler“ des SPD-Regierungsprogramms 2008 – 2012 vorgestellt – ein wahres Wunschkonzert der Wohltaten. Die Studiengebühren sollen abgeschafft werden, die Kita-Gebühren sollen abgeschafft werden, große Grundschulklassen auch und das Büchergeld sowieso. Daneben soll in Ganztagsschulen, Bücherhallen, Sportförderung und den Autobahndeckel zwischen Bahrenfeld und Othmarschen kräftig investiert werden. Zudem – versprach Naumann – werde es mit ihm keine weitere Neuverschuldung geben.

Bei der Frage der Gegenfinanzierung dieser Wundertüte aber blieben Naumanns Ausführungen nebulös. Auch SPD-Landeschef Inglo Egloff, der in wirklich jeden Satz die Leerformel „schlicht und ergreifend“ einbaut, konnte zur Wahrheitsfindung kaum beitragen. Neben dem SPD-Evergreen „Wiedereinführung der Vermögenssteuer“, der Verstärkung der Steuerfahndung und Kritik an dem 16-Millionen-Fußweg, mit dem die Hafencity an die Innenstadt angebunden werden soll, fehlte jeder Hinweis darauf, wie das millionenteure Wahlkampf-Wunderland finanziert werden könnte.

Stattdessen überraschte der Kandidat mit ein paar neuen, immerhin haushaltsneutralen Vorschlägen. So will er die Wohnungsbaukreditanstalt in eine Investitionsbank umwandeln, die kleineren und mittleren Unternehmen attraktive Kreditbedingungen anbietet. Zudem soll die Stadt, die gerade erst vor ein paar Jahren die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) an Vattenfall verkauft hat, nun ein eigenes Stadtwerk gründen. Als Großabnehmer soll es Strom billiger beziehen und diesen kostengünstig auch an Haushaltskunden weiterleiten.

Weitere Eckpunkte des neuen SPD-Programms, dass am 29. November auf einem Landesparteitag endgültig beschlossen werden soll, sind ein Privatisierungsstopp, bezahlbare Wohnungen auch in der Hafencity und verbindliche Volksentscheide. Auch soll es unter der SPD wieder eine eigenständige Umweltbehörde geben. Denn „Klimaschutz ist für mich kein Reklameetikett“, sagte Naumann.

Darüber hinaus versprach er eine „lückenlose Überprüfung“ der Unterlagen zum Verkauf der Hamburger Krankenhäuser, ein stadtweites Lärmminderungsprogramm und die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze anstelle des Ausbaus von Ein-Euro-Jobs.

Durch dieses Maßnahmenbündel soll nach einem SPD-Wahlsieg „die soziale Balance der Stadt wiederhergestellt“ werden. Denn die CDU habe in den vergangenen Jahren „Hamburg in arme und reiche Viertel zerfallen“ lassen. MARCO CARINI