Tanz ums goldene Lamm

Das Label Lamm Records ist mit einem „Song-Slam-Wettbewerb“ unterwegs. Am Mittwoch war man im King Kong Club. Siegerin Iris Romen überzeugte, der peinliche Moderator Marc Scheibe fiel mit dämlichem Antifeminismus durch

Viel Spaß von und mit extremen unentdeckten Songwriterinnen

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Ein Song Slam funktioniert ähnlich wie ein Poetry Slam, nur eben mit Songs. Vier Musikerinnen sind auf Tournee, zwei Local Heroes kommen in der jeweiligen Stadt dazu; das Publikum entscheidet, wer gewinnt. Eigentlich keine schlechte Idee: In unserer vercasteten Zeit erhält ein solcher Abend nun mal mehr Aufmerksamkeit als ein Konzert mit vier noch relativ unbekannten Musikerinnen.

Mark Scheibe, selbst Komponist und Bandleader, wollte wohl den schmierigen Conferencier spielen, aber er konnte ihn nicht spielen, weil er selbst schon so viel Schmierigkeit ausstrahlte. Bevor es losging, sang er sein Lied „Soz. Päd. Ute“. „Ute“ reimt sich natürlich auf „die Gute“. Ute sitzt im Park und spielt Bongos, ist taz-Abonnentin, sie trägt links und rechts ein Pfund Achselhaar und „ist schon fast vierzig und immer noch immatrikuliert“. Dieses Lied an den Anfang zu setzen ist nicht nur eine seltsame Idee, sondern funktioniert fast als Unterwerfungsmechanismus für das, was kommt. Der Spielleiter macht klar, wie Frauen nicht sein sollen, wenn sie nicht ausgelacht werden wollen. Schon in der Ankündigung des Labels will man ja nicht unter Feminismusverdacht geraten: „Nein, ganz gewiss kein feministisch-veganer Liedermacherinnen-Zirkel, sondern: Spaß von und mit extremen, unentdeckten Songwriterinnen, die rocken!“ Kann man denn nicht sechs Musikerinnen einladen, ohne sich gleich vom Feminismus abgrenzen zu müssen? Und so kam schon vor Beginn schlechte Laune auf. Aber die aufgeklärte Feministin hat ja gelernt, die Rahmenbedingungen zu ignorieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Als sei man beim Schlammcatchen, nannte Scheibe die Musikerinnen anzüglich „wunderbare internationale Damen“ und kündigte Heidi Marie Vestrheim zungenschnalzend als „eine aufregende Dame aus Norwegen“ an. Vestrheims Gesang kam aus der Alanis-Morisette-Schule des leidenschaftlichen An- und Abschwellens, beteuerte, nie im Gefängnis gewesen zu sein und nie LSD probiert zu haben. Nach ihr spielte „Ava and the Hawkline Monster“ aus Frankreich geschickt mit dem Klischee Authentizität und Holzgitarre, musizierte gekonnt auf großen Pappinstrumenten und bestätigte dabei das alte Vorurteil, dass sich für Lied, Song und Chanson die französische Sprache besonders gut eigne.

Ein Topthema der Songlyrik, die unerfüllte Liebe, wurde vom Local Hero Ziska bearbeitet, die ja bisher eher als Comiczeichnerin bekannt ist. Der nächste Beitrag wurde vom Host des Grauens als „neoromantischer Deeprock“ angekündigt. Das Publikum im King Kong Club verhielt sich vorbildlich: Es ignorierte den selbstverliebten Deppenmoderator, hörte den Sängerinnen aufmerksam zu und bedachte alle gleichmäßig mit Applaus. Bei „Dancer vs. Politicians“, dem Projekt von Sanni Baumgärtner, befürchtete man zunächst, hier werde das Rollenmodell „Zerbrechliche Sängerin singt schmachtende Seelchentexte“ exerziert. Aber in das Schmachtende mischten sich herbe Noten und kleine Brüche – eine gelungene Weiterentwicklung der Hildegard-Knef-Tradition. In der Jazz- und Swingtradition steht Iris Romen: Wenn man auch dieses Genre seit Norah Jones ein wenig satthat, so freute man sich doch an Romens unaffektierter schöner Stimme und der puristischen Darbietung an Keyboard und Kontrabass.

So war der Song-Slam-Abend, abgesehen von einem schwerwiegenden Besetzungsfehler, gelungen, weil er einen Überblick über die verschiedenen Rollenfächer gab. Der Wettbewerbsgedanke geriet in den Hintergrund; das „Applausometer“ konnte die Dezibelunterschiede beim Applaus kaum registrieren. Am Ende überzeugte aber Iris Romen das Publikum und gewann „Das goldene Lamm“, die Trophäe des Song Slams.