„Gemeinsam statt einsam“

betr.: „Ein Volk, ein Haus, keine Probleme mehr?“, taz vom 21. 11. 07

Ich jedenfalls bin froh, dass ich in einem Haus wohne, wo Jung und Alt (von vier Jahren bis über 70) gemeinsam unter einem Dach wohnen, Singles und Familien mit bis zu fünf Kindern, Eigentümer und Mieter, Rentner und Angestellte, Beamte und Freiberufler, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger, Hauptschüler und Gymnasiasten … Natürlich gibt es bei uns Krach und Streit: Ärger wegen der Kehrwoche, Beschwerden über Lärmbelästigung, extreme Ansichten über Ordnung und Sauberkeit, gestörte Kommunikation. Diese Konflikte entstehen nicht zwischen den Generationen oder „Migrationshintergründen“, sondern zwischen Individuen: Es menschelt eben, denn wir sind keine Sekte und wollen auch keine sein.

Unser Wabe-Haus bildet zusammen mit dem Nachbarhaus Mobile und dem geplanten Wohnprojekt Mosaik (kurz vor Baubeginn) eine sehr internationale Gemeinschaft: Die jetzigen und zukünftigen Bewohner (93 Erwachsene und 75 Kinder) kommen aus verschiedenen Nationen, und zwar aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Russland, Türkei, Iran, Afghanistan, China, Japan, Eritrea und Äthiopien.

Matthias Gaenzer, dem Sprecher der Berliner Gesobau, sei gesagt, dass bei uns junge Familien Tür an Tür wohnen mit Senioren: Da können Wahlfamilien entstehen, Partner- und Patenschaften, bei denen die Alten mit Erfahrung und Gelassenheit den Jungen helfen, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung, und die Jungen den Alten zum Beispiel bei handwerklichen Arbeiten, Putz- und Fahrdiensten. Und da soll Trennung besser sein? Wir leben jedenfalls besser nach dem Motto „Gemeinsam statt einsam“. Gemeinsames Frühstücken, Kochen, Backen und Feiern, bei denen die kunterbunten Nachbarn ein kunterbuntes Büfett aufbauen, tragen zur Stabilisierung der Nachbarschaft bei. „Wünsche zu berücksichtigen, ist in Ordnung“ – unser Wunsch, von der Anonymität und von der Ghettoisierung beim Wohnen wegzukommen, ist großenteils in Erfüllung gegangen, an den Unzulänglichkeiten müssen wir noch arbeiten. Verloren gegangene oder nie eingeübte Gemeinschaftlichkeit muss trainiert werden. Es lohnt sich, ein solches Wohnabenteuer zu wagen!

MARLIES BEITZ, Verein WABE e. V., Stuttgart