Chávez abgezogen

Kolumbiens Staatschef Uribe verbietet venezolanischem Präsidenten weitere Verhandlungen mit der Farc-Guerilla

PORTO ALEGRE taz ■ Mit seiner überraschenden Entscheidung, Hugo Chávez und der liberalen Senatorin Piedad Córdoba die Erlaubnis zur Vermittlung zwischen den Kriegsparteien in Kolumbien zu entziehen, hat Staatschef Álvaro Uribe Entsetzen bei den Angehörigen der Geiseln ausgelöst, die sich in der Gewalt der Farc-Guerilla befinden. „Uribe zeigt, dass er keine friedliche Lösung finden will“, sagte Fabrice Delloye, der frühere Ehemann der seit 2002 verschleppten Politikerin Ingrid Betancourt, gestern in Paris. Chávez und Córdoba seien als Vermittler für einen möglichen Gefangenenaustausch und auch für ein späteres Friedensabkommen unverzichtbar. Darin stimmt Delloye mit allen überein, die auf eine politische Lösung des über 40-jährigen Kriegs in Kolumbien hoffen.

Vorgestern Abend hatte ein Sprecher im Präsidentenpalast von Bogotá eine knappe Erklärung verlesen. Demnach war der Auslöser für Uribes Schritt ein Telefongespräch zwischen Chávez und dem kolumbianischen Heereschef Mario Montoya. Solche Kontakte seien unerwünscht, und Chávez habe das gewusst. Córdoba hatte den General offenbar aus Kuba angerufen und dann den Hörer an Chávez weitergereicht.

Bereits am Montag hatte Uribe seinem Kollegen ein Ultimatum bis Dezember gesetzt. Er war darüber verärgert, weil Chávez zu Beginn seines Staatsbesuchs in Frankreich die Möglichkeit erwähnt hatte, beide Präsidenten könnten Farc-Chef Manuel Marulanda im kolumbianischen Dschungel treffen. Auf dieses diskret zu handhabende „Verhandlungswerkzeug“ hatten sie sich vor zwei Wochen ebenfalls verständigt, so Bogotá.

Die Farc hatten sich nach Uribes Amtsantritt im August 2002 bereit erklärt, Dutzende entführte Uniformierte und Politiker freizulassen, wenn die Regierung im Gegenzug hunderte inhaftierte Guerilleros entlässt. Jahrelange Bemühungen auch internationaler Vermittler scheiterten jedoch an der Weigerung Uribes, dafür ein Gebiet in zwei Gemeinden militärisch zu räumen. Doch der Druck auf den rechten Hardliner wurde schließlich so groß, dass er im August die Senatorin und anschließend Chávez mit der Vermittlung beauftragte.

Stunden vor seiner Erklärung sagte Uribe vor Militärs in Bogotá, er habe „alle Anstrengungen“ für ein humanitäres Abkommen unternommen: „Aber wir haben nur terroristische Antworten erhalten. Der Terrorismus versteht es, jene zu nützlichen Idioten zu machen, die ihm die Hand geben“. Offenbar war Uribes Schritt mit Washington abgestimmt. US-Botschafter William Brown kritisierte am Mittwoch, dass die Farc keinerlei Lebenszeichen ihrer Geiseln geliefert hatte, unter denen sich auch drei US-Söldner befinden. Die Rebellen seien „für diese Situation verantwortlich“, nahm er die Rechtfertigung der Regierung vorweg, die die kolumbianischen Medien gestern in allen Variationen verbreiteten. GERHARD DILGER

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