Kommissarin mit Geltungswillen

Megi, wie ihre Freunde die 50-jährige Meglena Kunewa nennen, erinnert nicht nur im Spitznamen an die „Eiserne Lady“, die ehemalige britische Premierministerin Maggi Thatcher. Wenn die bulgarische Verbraucherschutzkommissarin im perfekt sitzenden Kostüm mit knallenden hohen Absätzen eine Bühne betritt, ihr Publikum streng mustert und die Papiere zurechtrückt, wird schnell klar: Diese Frau weiß, wo sie hinwill.

Einzig das geringe politische Gewicht ihres Ressorts steht dem Geltungswillen der ehrgeizigen Juristin im Weg. Als Chefunterhändlerin für den EU-Beitritt und als Europaministerin ihres Landes konnte sie mehr bewegen und zog deutlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Zu Jahresbeginn nahm sie die Geschäfte in Brüssel auf und muss seither um Beachtung kämpfen.

Wie sehr sich Kunewa nach Rampenlicht sehnt, konnte die verblüffte Journaille vor einer Woche bestaunen. Die Kommissarin hatte zur Pressekonferenz geladen, um Fluggesellschaften an den Pranger zu stellen, die im Internet mit irreführenden Schnäppchen werben. Doch sie weigerte sich, die Namen der Schwarzen Schafe herauszurücken. Schnell wurde klar, dass die Mitgliedstaaten ihr Urheberrecht für die Daten geltend machen und bei einer zeitgleich in Paris stattfindenden Pressekonferenz deutlich mehr Informationen zu holen waren.

Eingeklemmt zwischen den vier männlichen Kollegen, die für Binnenmarkt, Gesundheit, Industriepolitik und Umwelt zuständig sind, versucht sich Kunewa eine eigenständige politische Bühne zu schaffen. Dabei leistete China ungewollt Unterstützung. Als Kunewa kürzlich im Europaparlament von ihren Verhandlungen mit chinesischen Spielzeugproduzenten berichtete, drängten sich endlich einmal die Fernsehkameras um sie. Die Hersteller waren wegen bleihaltiger Farben und anderer gesundheitsschädlicher Substanzen in die Schlagzeilen geraten.

Die Eltern seien verunsichert und wüssten nicht mehr, was sie den Kleinen unter den Weihnachtsbaum legen könnten, gab sich Kunewa volksnah. Gestern lobte sie das Frühwarnsystem der EU, in dem sich die Mitgliedstaaten gegenseitig über Importe informieren, die als gesundheitsschädlich erkannt worden sind. Als Nächstes will sie die europäischen Spielzeughersteller und die nationalen Kontrollbehörden unter die Lupe nehmen. Die Qualität der Prüfungen ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Im Januar will die Kommissarin Ergebnisse veröffentlichen – man darf gespannt sein, ob sie es diesmal wagt, die Verantwortlichen beim Namen zu nennen. Mehr öffentliche Aufmerksamkeit wäre ihr dann gewiss.

DANIELA WEINGÄRTNER