Retorten-Schloss auch in Hannover

Nach Braunschweig und Berlin bekommt jetzt auch Niedersachsens Landeshauptstadt ein neues altes Schloss: Die VW-Stiftung will in den Herrenhäuser Gärten ein Tagungszentrum mit der Fassade des im Weltkrieg zerstörten Welfenschlosses errichten

VON KAI SCHÖNEBERG

Nach Berlin und Braunschweig soll auch Hannover ein Schloss aus der Retorte bekommen. Die Volkswagen-Stiftung will die Fassade der im zweiten Weltkrieg zerstörten Welfen-Sommerresidenz in den Herrenhäuser Gärten wieder errichten, um sie als Tagungsort für wissenschaftliche Kongresse und Tagungen zu nutzen. Bis „2011, allerspätestens 2012“ könnte das neue Herrenhäuser Schloss fertig sein, sagte Stiftungs-Generalsekretär Wilhelm Krull am Freitag in Hannover. Geplant sei ein Wiederaufbau der Fassade nach den Plänen des Hofbaumeisters Georg Ludwig Laves, der das ursprünglich barocke Schloss von 1819 bis 1821 im klassizistischen Stil umgestaltet hatte. Innen soll das Gebäude ein modernes Tagungszentrum sein.

5.000 Quadratmeter Nutzfläche, das hält Krull für ein „überschaubares Schloss“. Überschaubar auch die Kosten für die milliardenschwere Stiftung: 20 Millionen Euro. Dafür soll unter dem Zweigeschosser ein zusätzlicher Tagungssaal errichtet werden, der vom alten Schloss noch erhaltene Rest einer Freitreppe in das Gebäude integriert werden. Zum Vergleich: Die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses soll 550 Millionen Euro kosten, das im Frühjahr eröffnete „Schloss“ mit integrierter Shopping-Mall in Braunschweig bringt es auf 200 Millionen Euro.

Für ihn sei Laves (1788- 1864) „immer noch ein hochmoderner“ Architekt, begründete Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) die Rekonstruktion nach historischem Vorbild. Zudem solle sich die Bauweise in das Ensemble der Herrenhäuser Gärten, einer barocken Parkanlage, einfügen.

Seit Jahrzehnten waren Schloss-Pläne in Hannover an Fragen der Wirtschaftlichkeit gescheitert. Das Tagungszentrum werde sich für die Stiftung rentieren, wenn es 180 Tage im Jahr ausgelastet ist, sagte Krull. Außerdem will die Stadt der Stiftung das Gelände in den Herrenhäuser Gärten für 99 Jahre im Erbbaurecht kostenfrei überlassen.

Das Projekt sei lange geheim gehalten worden und ein „großer Wurf“ für Hannover, freute sich Weil. Es werde die „Perle Herrenhausen noch stärker glänzen lassen“. In den Seitenflügeln des Neubaus kann sich der Oberbürgermeister eine historische Kutschensammlung und einen Teil des jüngst zum Weltdokumentenerbe ernannten Briefwechsels des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz vorstellen.

„Die Staatsmänner der Welt sind hier in Hannover willkommen“, sagte Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und schwärmte von einer „wirklich beglückenden Entscheidung“, bei der „ohne Sie, Herr Weil“, gar nichts gegangen wäre. Wulff philosophierte von künftigen „Herrenhäuser Konferenzen“, in Hannover gebe es „ohne Zweifel“ Bedarf an repräsentativen Gebäuden. Mit dem Schloss werde die Stadt zu Metropolen wie Frankfurt, München oder Berlin aufschließen.