Blind Dating (12)

Das letzte Treffen

Am Ende lief es ganz klassisch ab. Wir gingen essen, ich zahlte, obwohl ich es auch nicht dicke hatte. Die Zeilenhonorare waren viel zu niedrig. Wir stritten über lebenswichtige Fragen, wir zeigten uns die Narben der Vergangenheit, wir testeten Grenzen aus. In der Bar, in der wir anschließend tranken, saßen wir auf einem Sofa und rückten einander näher. Obwohl wir weiter stritten.

Als ich versuchte, ihr zu sagen, dass eine Beziehung kein Schwimmbad sei, in das man so einfach reinspringe, verschwand sie auf den Toiletten und kam mit einem Haufen Postkarten wieder. REISS MICH AUF, stand auf einer, SO KRANK IST BERLIN auf einer anderen. Sie trug wie immer einen Rock, ihr Mantel, den sie den Abend über nicht ausziehen wollte, passte hervorragend zu ihren braunen Augen. Dann machte ich einen Fehler: Bevor ich das Passwort zu ihrem Herzen hätte nennen können, stellte ich mein Bereden ein. Also stritten wir über andere Themen, über die Stadt, über das mannshohe Plakat ihres Vaters, das in ihrer Küche hing.

Als der Streit den nächsten Höhepunkt erreicht hatte, standen die Frauen vom Nebentisch auf. Sie hatten uns heimlich beobachtet. Eine von ihnen sagte vorm Rausgehen zu uns: „Ihr seid wie für einander geschaffen.“ Das machte uns verlegen. Wir erröteten und schwiegen. Vielleicht hatte sie Recht, vielleicht nicht. Vielleicht hatte sie den Satz ironisch gemeint, schließlich stritten wir noch immer.

Später standen wir vor ihrer Wohnungstür. Wenn dies nicht das letzte Treffen, sondern das erste von unendlich vielen weiteren Treffen sein sollte, musste was geschehen. Die Tür ging auf und zu. Und damit endet diese Reihe hier. Ob eine andere anfängt, bleibt offen.

RENÉ HAMANN