LESERINNENBRIEFE
:

Selbstbedienungsdemokratie

■ betr.: „S-21-Gegner verlieren“, online-taz vom 27. 11. 11

Geschäftstüchtig sind sie ja schon, die Baden-Württemberger. Warum sollten sie sich auch ein solch großes Infrastrukturprojekt durch die Lappen gehen lassen, wenn die Steuerzahler und die Bahnkunden in ganz Deutschland dafür bezahlen? Denn nichts anderes bedeutet der Kostendeckel, der von Kretschmann zurzeit noch garantiert wird. Selbst wenn der Bahnhof 6, 8 oder 10 Milliarden kosten wird, braucht keiner im Südwesten auf einen Kindergartenplatz oder eine Polizeistation zu verzichten. So schön kann Selbstbedienungsdemokratie sein. WALTER HEIDENFELS, Hamburg

Auf der Suche nach Büchern

■ betr.: „Die Bibliothek der Zukunft“, taz vom 23. 11. 11

Noch immer machen sich täglich Menschen auf der Suche nach Büchern auf den Weg in Bibliotheken. Ist es inzwischen ein Missverständnis, dem sie folgen? Wissen BibliothekarInnen es besser?

Es mag in diesem Beruf heute einige geben, die sich mit Büchern langweilen und deren Mehrheitsanteil im Medienangebot der Bibliothek lästig und unmodern finden. LeserInnen aber langweilen sich mit Büchern keineswegs, sondern die Nutzungszahlen steigen sowohl beim universitären wie beim allgemeinen Publikum. Berlin kann sich also auf einen großzügigen Neubau für ihre in Deutschland singuläre „Public Library“ mit bedeutenden Fachbeständen und Sondersammlungen, mit prominenten Nachlässen und Berliner Pflichtexemplaren freuen. Ob sich in Amsterdam und Seoul die angemessenen Vorbilder finden, wie in der Reportage erwähnt, kann man bezweifeln. In Mainz übrigens ganz bestimmt nicht: Unabhängig davon, was LeserInnen wünschen oder nicht, werden dort Personal und Etat der alten Stadtbibliothek gerade halbiert. Also: Kaum noch neue Bücher im Regal! Das geht ganz ohne Neubau, wenn die kommunale Sparpolitik es so will.

Umso mehr sind die LeserInnen der ZLB dazu zu beglückwünschen, dass ihre Bibliothek eine Zukunft haben soll.

MARIA KÜHN-LUDEWIG, Paris

Eine Frage der Gerechtigkeit

■ betr.: „Grüne wollen Reichen ans Geld“, taz vom 28. 11. 11

Die Überschrift zur Anhebung des Spitzensteuersatzes kommt verkürzt und effektheischend daher.

Eine Verkäuferin mit nur 1.600 Euro Brutto zahlt derzeit bei guter Steuerklasse zwar nur 5 % Lohnsteuer. Wenn Sie dann aber ihre Stromrechnung bezahlt, werden noch mal 40 % an Umsatz-, Stromsteuern und Konzessionsabgabe fällig. Beim Benzinkauf sieht es noch schlechter aus. So gehen denn 45 % des Lohns der Verkäuferin beim Konsum in Deutschland an den Staat. Der Millionär zahlt auch ohne Steuertricks nur 42 % Lohnsteuer und verschiebt das Geld in die Schweiz, um dort auf die Zinsen auch nur 25% Steuern zu zahlen. Ich denke, da ist eine Anhebung der Spitzensteuersätze eher eine Frage der Gerechtigkeit. STEFAN SCHLEPÜTZ, Dortmund

Nicht witzig

■ betr.: „Frauenhaus“, taz Leibesübungen vom 28. 11. 11

Ja, ich freue mich seit einigen Wochen, montags die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga der Frauen in der taz zu lesen. Heute wurde die Freude sehr getrübt. Ich knabberte noch an dem Begriff „Nischensportart“, den ihr vor einiger Zeit für den Frauenfußball gebraucht habt. Einige Recherchen zum Begriff „Nische“ sowie Mitgliederzahlen solltet auch ihr – so wie ich es tat – durchführen.

Über eine Million Frauen und Mädchen sind im DFB. Vergleicht das mal mit den Zahlen der „Nischensportart“ (?) Handball u. a. m. Und berichtet darüber!

Heute, also montags, finde ich die Fußballergebnisse unter „kreativen“ Überschriften. Für „Die 1. Liga“ (die Männerfußball-Liga) ist euch wohl nichts eingefallen. Da solltet ihr mal die Frauen der Sportredaktion befragen. Oder gibt es diese etwa gar nicht? Dann könntet ihr euch in anderen Ressorts zumindest erläutern lassen, was ein „Frauenhaus“ ist. Dass die Verwendung in diesem Zusammenhang nicht witzig und völlig unangemessen ist, werdet ihr dann sicher verstehen. INGRID HERTRICH, Wiesloch

Emotional getroffene Aussagen

■ betr.: „Deshalb mache ich auch weiter“, taz vom 29. 11. 11

Na klar macht Winfried Herrmann weiter! Ihn auf emotional getroffene Aussagen zum Rücktritt im Falle einer Entscheidung gegen den Ausstieg festzunageln, ist völlig unangemessen. Genau genommen hat die Volksabstimmung – gemessen an CDU-Forderungen – ein endgültiges Votum für Stuttgart 21 nicht erbracht: das Quorum von 2,5 Millionen Stimmen für den unterirdischen Bahnhof wurde bei weitem nicht erreicht. Das sollte zumindest als schlagkräftiges Argument für eine Novellierung der geforderten Kriterien bei Volksabstimmungen genutzt werden. Es wäre aber unklug, das Ergebnis mit diesem Argument vollständig auszuhebeln. Prinzipiell sind Volksabstimmungen frühzeitig, das heißt zu Beginn eines aufwendigen Genehmigungsverfahrens zu fordern.

42 % der Wähler haben sich für eine vernunftorientierte Landesverkehrspolitik ausgesprochen, ein großer Teil dieser Menschen hat sich auf beeindruckende Weise politisch dafür stark gemacht. Auf diese Basis können die Grünen, kann Winfried Herrmann bauen! HEIKO WEHDE, Flensburg