INES KAPPERT ZUM GESCHEITERTEN „FRIEDENSWINTER“
: Friede der Friedensbewegung

Die Sehnsucht nach einer Friedensbewegung, wie wir sie kannten, führt in die falsche Richtung

Die meisten Kriege finden weit weg in Afrika statt. Dennoch verstärkt sich in Deutschland das Gefühl, dass das Leben erheblich unsicherer geworden ist. Das hat mit einem neuen Krieg in nächster Nähe, nämlich in der Ukraine, zu tun. Und mit den Millionen Menschen, die aus ihren Ländern flüchten müssen. Sind das nicht beste Voraussetzungen für eine neue Friedensbewegung?

Offenbar nicht. Ihre Wiederbelebung – Stichwort „Friedenswinter“ – ist kläglich gescheitert, die Mahnwachen wurden spielend von rechts unterwandert. Man muss kein Nostalgiker sein, um zu finden, dass die Bewegungen gegen die Stationierung US-amerikanischer Raketen oder den Irakkrieg diese schlecht informierten Enkel nicht verdient haben. Trotzdem sind sie nicht ganz schuldlos.

Denn auch die Friedensbewegten, die heute in Instituten oder Parteien arbeiten, haben ihr Weltbild zu selten aktualisiert. Einige verdrängen beharrlich, dass das heutige Russland mit der Sowjetunion so wenig zu tun hat wie die USA mit den einstigen Deutschlanderziehern unter Truman und Eisenhower. Andere sind immer noch nicht in der multipolaren Welt angekommen; wieder andere haben die Arabellion glatt verpasst und die Strukturmerkmale der Postdemokratie nicht durchdrungen. Deshalb erscheint ihnen die vertraute Schablone des Kalten Kriegs so attraktiv.

Demgegenüber agiert eine auf der Verteidigung von Menschenrechten basierte Flüchtlingspolitik auf der Höhe der Zeit. Denn sie verbindet internationale Politik mit nationalen und lokalen Belangen, politische Theorie mit Engagement vor der Haustür, eine auf Frieden ausgerichtete Entwicklungspolitik mit einer zeitgemäßen Migrationspolitik. Die Sehnsucht nach der Friedensbewegung, wie wir sie kannten, führt in die falsche Richtung. Geben wir sie auf.

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