Olfes große Schwester

KREUZBERG Der Südblock am Kottbusser Tor feiert morgen seinen ersten Geburtstag. Er ist Café, Kulturraum und Club in einem

Es gibt Gespräche über Kapitalismus, queere Partys und Fummel-Tauschbörsen

VON PATRICIA HECHT

Einladend war der Platz am Kotti nicht. Viel Verkehr, viel Beton, vor einem Hochhaus aus den Siebzigern stand ein unscheinbarer Flachbau. Vor einem Jahr blinkten plötzlich bunte Lichterketten an der Glasfassade, drinnen baumelten Rentiere mit pinken Stöckelschuhen von der Decke. Wenn man abends vorbeilief, hatten sich manchmal lange Schlangen dick vermummter Menschen gebildet.

Man habe gegensteuern müssen, damit der neue Ort keine kurzlebige Partylocation werden würde, sagt Richard Stein vom Gründerteam des Südblocks. Der Betreiber der Bar Möbel Olfe hundert Meter weiter hat den Südblock zusammen mit drei Freunden vor einem Jahr eröffnet: Als eine Art großes Geschwister der Olfe. Morgen wird Geburtstag gefeiert.

Der Südblock ist Café, Kulturraum und Club in einem, tagsüber und nachts geöffnet für ein Publikum von queer bis straight. Es ist ein Ort jenseits der Tendenz, Wert auf Alter oder Herkunft zu legen, und Mitglied im Netzwerk „Diskriminierungsfreie Szenen“, zu dem auch Tante Horst, Silverfuture und das SO36 in Laufweite gehören. Tags gibt es Kaffee und Kuchen, Sonntagsbrunch und Sozialberatungen, nachts eine Mischung aus Partykeller, Gala-Abend und Club mit silbernem Revuevorhang und einer All-Gender-Toilette. Letztere hat auch schon Ruhm als Kulisse für einen lesbisch-feministischen Porno erlangt.

Die Kreuzberger Songschreiberin Christiane Rösinger hat ein Heimspiel, wenn sie monatlich ihre Band- und Quiz-Show Flittchenbar moderiert. Ja, Panik waren da, Sorry Gilberto, Princessin Hans und Bernadette La Hengst auch. Ansonsten gibt es Gespräche über Kapitalismus und Körperwahrnehmung, schwullesbische Partys und Fummeltauschbörsen für neue Kleider. Besonders stolz, sagt Mitbetreiberin Tülin Duman, sei man gerade auf das Gazino: Glanz und Glamour mit Bauchtanz, orientalischer Musik und Stars, die im türkischen Berlin schon in den 80ern bewundert wurden.

Vor ein paar Jahren noch waren in dem Flachbau Orientbistro und Kneipe beheimatet. Der damalige Betreiber setzte Glasfassaden ein. „Aber drinnen war die totale Rigips-Hölle“, sagt Stein. Der Laden machte wieder zu, und schließlich kam ein Bekannter und sagte, der Vermieter verhandle mit einem Casino: „Ihr müsst das jetzt machen.“ Na ja, sagt Stein, „da war es dann klar“.

Auch klar war, dass sich der Ort schon wegen der Größe und des biergartenartigen Platzes davor für mehr als nur das Nachtleben anbietet, und dass die Nachbarschaft eine Rolle spielen müsste. „Wir wollten das nicht okkupieren, sondern öffnen“, erzählt Stein. Deshalb auch der Name: Die großen Wohnblöcke am Kotti werden im Stadtentwicklungsjargon als Nord- und Südblöcke bezeichnet, gern mit dem Label „sozial schwierig“ davor. „Wir wollten das umdeuten und positiv füllen“, sagt Stein.

Stein, Duman und ihre Mitstreiter Tünya Özdemir und Dennis Kuhlow luden die Nachbarn noch während des Umbaus zu einer Grillparty ein. Sie stellten einen Brunnen aus falschem Marmor, Schultheiß-Schirme für die Berlin-Folklore und Bänke um die Bäume auf dem Platz auf, zum Teetrinken und Plaudern. Heute halten die Mieter ihre Versammlung im Südblock ab, die Mädchenmannschaft von Türkiyemspor, dem Verein nebenan, kommt zum Fastenbrechen hierher. „Wir sind ein Ort, in dem sich viele Orte befinden“, sagt Duman.

Das Miteinander klappt wahrscheinlich auch deshalb so gut, weil die vier Betreiber im Kiez verwurzelt sind. Tülin Duman eröffnete zur Fußball-WM der Männer 2006 den Laden für Fußball-Kultur Goal am Heinrichplatz und sorgte dafür, dass die Frauen-WM ein Sommer-Höhepunkt ohne Hymnen im Biergarten des Südblocks wurde. Sie war Geschäftsführerin des Vereins „Gays and Lesbians aus der Türkei“ und ist Mitorganisatorin des transgenialen CSD. Dennis Kuhlow arbeitet als Künstler, Tünya Özdemir gründete den Modeladen Tektek in der Mariannenstraße.

Zwei Nachbarinnen, die fast täglich da sind, Ingeborg und Ulla, haben ihrerseits schon mal Geburtstag im Südblock gefeiert und Gartenmöbel für den Biergarten vom Team geschenkt bekommen – mit bunten Polstern, die nur sie benutzen dürfen. So richtige Wünsche habe sie selbst eigentlich nicht, sagt Tülin Duman. Nur dass die Gäste kommen, denen der Südblock das Jahr über ans Herz gewachsen ist. Ingeborg und Ulla werden auch da sein.