Kretschmann lässt zurückrudern

ERBSCHAFTSTEUER „Keine abgestimmte Position“: Staatsministerium korrigiert sich nach taz-Bericht

BERLIN taz | Die Grünen streiten darüber, ob der Staat von schwerreichen Firmenerben Erbschaftsteuer verlangen darf. Ein taz-Bericht über die Linie von Baden-Württembergs Ministerpräsident, mildere Regeln zu fordern als Finanzminister Wolfgang Schäuble, sorgte in der Partei für Aufruhr. Überholt Winfried Kretschmann die CDU in der Steuerpolitik rechts?

„Ich bin aus allen Wolken gefallen“, sagte Berlins Landeschef Daniel Wesener am Donnerstag. Eine solche Positionierung wäre aus seiner Sicht völlig unverständlich. „Es geht auch um mehr Geld für Länder und Kommunen, für Bildung, Klimaschutz und die Sanierung der maroden Infrastruktur – also auch für grüne Kernanliegen.“ Er hoffe, so Wesener, auf eine schnelle Richtigstellung durch die grün-rote Landesregierung.

Auch von Nordrhein-Westfalens Grünen kam Kritik. „Wir begrüßen die Pläne von Schäuble, das Aufkommen bei der Erbschaftsteuer zu erhöhen“, sagte Landeschef Sven Lehmann. Große Betriebsvermögen zu privilegieren sei nicht mehr akzeptabel.

Die taz hatte am Donnerstag über baden-württembergische Vorschläge für eine neue Erbschaftsteuer berichtet. Landesfinanzminister Nils Schmid (SPD) wirbt für eine Freigrenze von 100 Millionen Euro. Erben von Unternehmen, die weniger wert sind, würden von der Steuer befreit. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will Unternehmenserben schärfer besteuern und plädiert für eine Freigrenze von 20 Millionen Euro. Zwei Sprecher der Landesregierung hatten der taz zunächst bestätigt, dass Kretschmann die Linie seines Finanzministers stützt.

Das baden-württembergische Staatsministerium korrigierte am Donnerstag diese Position. Über eine 100-Millionen-Euro-Freigrenze gebe es in der Landesregierung keine Verständigung, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. „Das ist ein Vorschlag des Finanzministers. Es ist sein gutes Recht, Ideen zu entwickeln.“ Kretschmann selbst habe keine Zahl in den Mund genommen. Hoogvliet sagte weiter: „Die Landesregierung ist sich bei zwei Kriterien einig: Eine Reform muss verfassungsfest sein, und sie muss wirtschaftspolitisch vernünftig sein.“ Kleine Firmen müssten von der Steuer verschont werden, aber auch große Unternehmen dürften nicht in ihrer Existenz gefährdet werden.

Hat Kretschmann wirklich noch keine konkrete Meinung zur Erbschaftsteuer? Diese Version kann man bezweifeln. Dass ein Finanzminister einen mit dem Regierungschef unabgesprochenen Vorschlag in wichtige Verhandlungen mit dem Bund einbringt, wäre zumindest unüblich. ULRICH SCHULTE