Neue letzte Chance

Der Garagenrock – so genannt, weil amerikanische Mittelklassejungendliche mit ihren lauten Gitarren aus dem elterlichen Haus in die Garage gescheucht wurden und dort dann die Verstärker aber mal so richtig aufdrehten –, der Garagenrock also hat schon viele Inkarnationen erlebt. Er zeichnet sich durch eine rohe, ungeschliffene Spielweise, eher minimalistische Instrumentierung und eben einen Hang zum Lärm aus. Während die heutige Jugend vielleicht häufiger zum familienfreundlichen Kopfhörer greift, den an seinem Heimcomputer anschließt und dann auf einem Programm, das ironischerweise „Garage Band“ heißt, ein bisschen elektroaffines Homerecording betreibt, wurde einst noch ganz ordentlich geholzt. Das Minimalrockrevival der vergangenen Jahre hat den Blick wieder auf die Anfangszeit des handgemachten Rock gelenkt, deren vielleicht wichtigsten Vertreter, The Sonics, ihr tatsächlich für Rockstars recht fortgeschrittenes Alter völlig missachtend, noch immer touren. Wer waren doch gleich die Rolling Stones?

Man möchte es kaum glauben, aber die Band steht seit einem halben Jahrhundert auf der Bühne. Während ihre Zeitgenossen in den USA sich als billige Adepten der „British Invasion“ betätigten oder belanglosen Teeniepop spielten, zeigten The Sonics Anfang der 1960er Jahre deutlich, wo der sprichwörtliche Hammer hängt. Nach diversen Umbesetzungen und dem Aufbau einer lokalen Fanbasis im heimatlichen Tacoma ging die Band 1965 ins Studio. Das Debütalbum „Here Are The Sonics“ ist eine 40-minütige Zusammenstellung von Stücken, deren rauher Sound für damalige Ohren ein echter Schock gewesen sein muss. Die Cover von Rock-’n’-Roll-Standards wie „Roll over Beethoven“, „Money“ und „Good Golly Miss Molly“ hoben die ohnehin schon als „des Teufels“ gebrandmarkte Musik auf eine völlig neue Ebene akustischer Rebellion. Die Eigenkompositionen „Psycho“ und „Strychnine“ können leicht als Protopunk eingeordnet werden, und das Bluesballadencover „Have Love, Will Travel“ strotz so dermaßen vor unbändiger Sexualität, dass man sich fragt, ob The Sonics im aktuellen puritanischen Klima in den Vereinigten Staaten eigentlich schon wieder Auftrittsverbote fürchten müssen. Eine angemessenere Würdigung ihrer Musik lässt sich kaum vorstellen.

Hatte Jenni Zylka vor zwei Jahren noch Sorge, dass der damalige Auftritt der „gereatrischen Garagenrockerfinder“ im SO36 einmalig bleiben würde, gibt es jetzt noch eine „letzte“ Gelegenheit, die „Schöpfer des Rock-’n’-Roll-Urschreis“ live zu erleben. KRT

■ The Sonics: 6. Dezember, 21 Uhr, SO36. VVK: 22 Euro