Aus dem Universum in die Blume auf den Teller

LIEBESERKLÄRUNG Warum ein knorriger Biobauer Rudolf-Steiner-, nicht aber den Bio-Vorschriften gemäß wirtschaftet: Phie Ambos Dokumentarfilm „Viel Gutes erwartet uns“ läuft schon vor dem Bundesstart im Norden

„Ich glaube nicht an Zufälle“, das ist das erste, das wir Niels Stokholm sagen hören. Dieser Stokholm, oder sagen wir, mehr in seinem Sinne: Niels, dieser Niels also war Ingenieur, bis er 1975 ausstieg: Er wurde Biobauer und ist das bis heute. Wir sehen den 79-Jährigen beim Heumachen und wie er bei Geburt eines Kälbchens hilft – offenkundig nicht zum ersten Mal –, eines besonders großen, das auch noch verkehrt herum auf die Welt zu kommen beschlossen hat; da wird sogar die Dokumentarfilmerin gebeten, kurz die Kamera abzustellen und mit anzufassen.

Gezeigt wird da lange ein Mann, der im Reinen ist: mit sich, mit der „Natur“, die ja doch so ganz von Menschenhand geprägt ist, den Pflanzen, den Tieren. Niels doziert über das Licht, „nicht bloß Sonnenlicht“, sondern von den anderen Planeten reflektiertes, dessen Gutes über die Pflanze am Ende bei uns selbst ankomme. Er empfängt den Mann vom weltweit bekannten Restaurant „Noma“, der vom Schweine- und Rindfleisch schwärmt und sagt, Niels wäre als Gast jederzeit willkommen; so richtig vorstellen aber mag man es sich nicht: diesen knorrigen Mann mit dem weißen Bart, der über die ideale Regenwurm-Dichte im Ackerboden sinniert, in so einem gehobenen Kopenhagener Ambiente. So wenig wie beim Bankett, bei dem die dänische Ministerpräsidentin übers grüne Wirtschaften spricht – bei Gemüse von Niels.

Und es gibt auch andere Besucher aus der Hauptstadt im Süden: Frauen vom Amt, die prüfen, ob er denn auch die Standards für die ökologische Landwirtschaft einhalte – er tut es nicht: Niels’ Kühe können nicht regelmäßig genug trinken, im Stall liegt zu wenig Stroh, und wenn der sture Bauer das nicht ändert, darf er nichts mehr als „bio“ anbieten. „Die vielen Kontrollen“, wird Niels später murren, „sollen mich die Tierhaltung aufgeben lassen.“ Irgendwann kommt sogar eine Vorladung zu Gericht: Niels habe seine 124 Kühe verwahrlosen lassen, es droht der Entzug der Erlaubnis, sie zu halten. Dabei brauche es doch gerade „Bauern, die es ablehnen, nach Schema F vorzugehen“, sagt er, „die frei denken“.

Über die Konflikte, um die es hier geht, aller wunderbar in Szene gesetzten Idylle zum Trotz, hätten sich auch andere Filme machen lassen: analytischere, ausgewogenere auch. Bezeichnenderweise ist zu erfahren, Regisseurin Phie Ambo habe sich „sofort“ verliebt in die Leute vom Thorshøjgaard-Hof. Und so hat sie sich für die Parteinahme entschieden: für den Eigensinn und gegen die Regularien; dafür, dem alt gewordenen Anthroposophen zu glauben und nicht den so viel abstrakter bleibenden Kontrolleurinnen. Liebevoll wird es in Szene gesetzt, das Leben auf dem maroden Hof, für dessen Instandsetzung das Geld nie reicht, auch mit seiner Beschwernis.

Dass ein Film Lust mache, das ist so eine Trope. Hier stimmt sie: Wer sich einlässt auf Niels und Rita und die Kühe und Ferkel und Regenwürmer, wer hie und da auch hinweg zu hören weiß übers Steiner’sche Kosmos- und Weltbild, der könnte Lust bekommen – muss ja nicht gleich aufs Aussteigen sein; vielleicht ja auch nur auf ein besseres Stück Fleisch.  ALDI

■  Sa + So, 15 Uhr, Lübeck, Kommunales Kino; Mo, 20 Uhr, Hamburg, Abaton (mit Regisseurin Phie Ambo, Rita Hansen und Niels Stokholm). Ab 19. März in Hamburg und Hannover, später in Lüneburg, Kiel und Osnabrück. (https://mindjazz-pictures.de/kinotermine)