Ein kleiner Maulwurf aus dem Osten erobert die Welt

IDOLE Zdenek Miler, der geniale Schöpfer des knuddeligsten aller Insektenfresser, ist gestorben

Ach jo!“ – es ist nicht alles Zuckerschlecken auf der Welt, selbst für ihre kleinsten Bewohner. Windelwechsel, die ungeliebte Mütze, Schlafengehzeit: „Ach jo!“ Von Tschechien bis nach Kalifornien erklingt der charakteristische Stoßseufzer, eine der ersten stimmlich-modulierten Äußerungen zahlloser Erdenbürger – und wer könnte heute noch sagen, wer zuerst da war: der kleine Seufzer oder der „kleine Maulwurf“?

Seit Zdenek Miler den Insektenfresser 1957 ins Licht der Öffentlichkeit gezeichnet hat, begeistert er kleine und allerkleinste Kinder, als frühe Pelzversion der Teletubbies. Nach einer kurzen Phase früher Redseligkeit ist der „Krtek“, wie er in seiner Heimat heißt, vollständig verstummt, schon deswegen ist er zu loben. Gut, die freundliche Daddelmusik, die die Filmchen untermalt, ist auch nicht jedermanns Sache, aber wer je dem Akustikterror von Benjamin Blümchen oder gar Cosmo und Wanda ausgesetzt war, liebt den Maulwurf schon aus Prinzip.

Dabei hat Miler bei der sprachlichen Reduktion wohl vor allem an das gedacht, was später Globalisierung heißen würde. Und es hat geklappt: Das Tier aus dem Untergrund des Ostblocks zog nicht nur erfolgreich in die westdeutschen Wohnzimmer ein, es schaffte es sogar bis in die USA. Der Verzicht auf Sprache bedingt eine überdeutliche Mimik und Gestik der handelnden Tierchen, und die gar nicht immer so simplen Plots werden fast zwangsläufig sehr präzise ausgeführt. So wird der Maulwurf zur Identifikationsfigur auch für die Allerkleinsten.

Dabei kommt er gar nicht so harmlos daher, wie das knuddelige Äußere vermuten ließe. Wer sich etwa der 1982 erschienenen Episode „Der kleine Maulwurf in der Stadt“ zuwendet, stößt auf ein geradezu apokalyptisches Untergangsszenario der modernen Industrienationen, mit bornierten Beamten, willfährigen Polizisten, einer absurden Bürokratie und einer Scheinwelt, versinnbildlicht durch einen aufblasbaren Plastikwald in einer Hochhausetage, der den Tieren als schöne neue Heimatwelt inklusive Catering angeboten wird, nachdem ihr Wald abgeholzt wurde. Ihren Frieden finden der Maulwurf und seine Freunde erst als puschelige Ökoterroristen, gegen die heutige Autozündler sich wie harmlose Stofftiere ausnehmen. Der Maulwurf-Schöpfer Zdenek Miler ist nun im Alter von 90 Jahren verstorben. Ach jo!HEIKO WERNING