Ein ästhetisches Fiasko

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Die „berühmte“ Hotelbar des Ritz-Carlton am Potsdamer Platz ist von grauenhafter Hässlichkeit

Die Hotelbar? „Das ist unser berühmter Curtain Club“, wird uns vom Personal des Ritz-Carlton am Potsdamer Platz gesagt, als wir nach der Bar fragen. „Berühmt“ ist Ansichtssache, schließlich macht der Curtain Club, wenn überhaupt, dann dadurch auf sich aufmerksam, dass hier liebestolle Fans einen Blick auf den Beau du Jour zu erhaschen versuchen, der grade in Berlin und vielleicht in diesem Hause absteigt. Vom Ritz-Carlton erwartet man nämlich etwas Außergewöhnliches, Glitzer, Glamour, Goldmariechen.

Von diesem besonderen Flair ist an einem Samstagabend wenig zu spüren. Müde Familien sitzen im Curtain Club herum, die Jacken der Gäste türmen sich auf den leeren Stühlen. Einerseits scheint die Bar wirklich sehr gemütlich, man versinkt im Sessel, und sofort stellt sich ein warmes, wohliges Gefühl ein. Andererseits ist das ganze Interieur des Hotels von solch grauenhafter Hässlichkeit und Biederkeit, dass man den Architekten sehen möchte, der das alles mit seinem Selbstwertgefühl vereinen kann. Die Lobby wird von einem fiesen Treppenungetüm beherrscht, das aussieht, als sei es eine Kulisse aus der Fernsehserie „Der Denver Clan“.

Als Vorlage für den Curtain Club musste dann wohl auch die Bibliothek der Hauptfigur Blake Carrington herhalten, dieses unglückliche Kabuff, in dem die Whiskey-Karaffen geleert wurden. Die Vertäfelung ist dunkel, die Sessel sind dunkel, selbst das Licht, das ja hell sein sollte, sieht dunkel aus. In der Ecke liegt „Der Gentleman“ aus, ein Buch, das dem Leser erklären möchte, was der Mann von Welt zu tragen hat, falls es ihm bis heute entging.

Das wirklich freundliche Personal muss in diesem ästhetischen Fiasko arbeiten, rückt flink mit einer Getränkekarte an, die dicker ist als Tante Ritas Hochzeitsalbum. Wer keinen Obstbrand mag, kann die letzten Seiten getrost vergessen und sich auf die erste Hälfte konzentrieren. Die Cocktailauswahl beeindruckt, die Cocktails lassen nichts zu wünschen übrig. Der Strawberry Daiquiri ist anständig, der Champagner Cocktail mit Aperol und Würfelzucker hervorragend. Wie gerne würde man dieses Getränk in wirklich luxuriöser Umgebung einnehmen.

Trotz des guten Service, der Drinks und aller Gemütlichkeit enttäuscht der Curtain Club. Das Ritz-Carlton in Berlin ist eben nicht das Taj am Gateway of India und auch nicht Mena House am Fuße der Pyramiden, sondern einfach ein aus dem Boden gestampftes Luxushaus an einem aus dem Boden gestampften Platz in Berlin.

THE CURTAIN CLUB, Potsdamer Platz 3, 10785 Berlin, (0 30) 33 77 77, tägl. ab 18 Uhr, Cola EUR 5,50, Latte macchiato EUR 5, freitags und samstags abends Livemusik, U-Bahn Potsdamer Platz, www.ritzcarlton.com