Schöner Lückenfüller

Durchaus doppelsinnig präsentiert das Pergamonmuseum die „Keir Collection“, Edmund de Ungers Sammlung islamischer Kunst, als das schiere „Sammlerglück“

VON RONALD DÜKER

Wie es aussieht, wird die Berliner Museumslandschaft künftig um eine bedeutende Privatsammlung reicher sein. Die sogenannte Keir Collection ist von dem in Ungarn geborenen und in England lebenden Edmund de Unger über die letzten fünfzig Jahre zusammengetragen worden und umfasst hochkarätige Stücke und viele Schlüsselwerke der islamischen Kunst vom frühen achten bis zum 19. Jahrhundert. Im Pergamonmuseum zeigt die Ausstellung „Sammlerglück“ nun 112 Objekte aus diesem Fundus. Wenn die letzten bürokratischen Hürden genommen sind, sollen diese Exponate, schließlich sogar die gesamte, 1.500 Werke zählende Sammlung dem Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt werden.

„Sammlerglück“ – das ist zumindest eine mögliche Lesart des Ausstellungstitels – bedeutet hier das Glück der Berliner, den Sammler de Unger gewonnen zu haben. Schließlich haben die Berliner Museen gegenüber denen von Paris, Rom oder London einen entscheidenden Nachteil. „Wir sind so spät auf die Welt gekommen“, sagt Generaldirektor Peter-Klaus Schuster. Aufgrund des vergleichsweise jungen Alters der staatlichen Berliner Kunsthäuser konnten hier weniger früh als andernorts bedeutende Sammlungen aufgebaut werden, und so war man seit je auf das Sammeln von Sammlern angewiesen.

Das begann bereits mit der Gründung des damaligen „Königlich Preußischen Museums“ im Jahr 1830, als die Museumsdirektoren ihre Bestände in enger Zusammenarbeit mit wichtigen Privatsammlern aufbauten, vornehmlich aus dem jüdischen Berliner Bürgertum. Auch die Wurzeln der einflussreichen Freundeskreise der Museen reichen in diese Zeit. Ohne deren Schenkungen wäre ein großer Teil bedeutender Kunst nicht in öffentlichen Besitz gekommen. Wenn also schon im 19. Jahrhundert große Lücken durch private Sammler und Förderer zu schließen waren, kann man sich leicht vorstellen, wie eklatant dieser Bedarf erst in der Nachkriegszeit wurde, nachdem sich der Nationalsozialismus auch für den Bestand der nationalen Kulturgüter zur verheerenden Katastrophe entwickelt hatte.

Die „Keir Collection“ schließt nun wiederum eine Lücke. Naheliegend wäre gewesen, wenn De Unger diese Schätze seiner Heimatstadt London und damit dem British Museum vermacht hätte, wo der Bestand islamischer Kunst sowieso bereits von hervorragender Qualität ist. In Berlin sind die neuen Stücke aber bislang ohne Beispiel, schließlich fehlten die kostbaren Skulpturen aus Bergkristall und insbesondere die persische Miniaturmalerei im Museum für Islamische Kunst beinahe ganz. Dasselbe gilt für Textilien, an denen Wilhelm von Bode, der die Berliner Sammlung um 1900 aufgebaut hatte, im Unterschied zu orientalischen Teppichen kaum interessiert war.

In vier überschaubaren Räumen erschießt sich dem Besucher nun der ganze Reichtum islamischer Kunst. Kalligraphien, reich verzierte Buchumschläge und akribische Miniaturmalerei aus Iran, Zentralasien und dem mamlukischen Ägypten sind hier ebenso zu bewundern wie Bronzen, Keramiken, Brokate, Teppiche und überaus seltene Arbeiten aus Bergkristall, die unter der Herrschaft der Fatimiden, also vom 10. bis 12. Jahrhundert, in Ägypten hergestellt wurden.

De Unger hat diese Stücke teils kostspielig aus Privatsammlungen gekauft, zum Teil aber auch bei gewöhnlichen Antiquaren aufgetrieben, die keine Ahnung davon hatten, dass sich in einem gammeligen Buch im hintersten Winkel des Ladens eine wertvolle Handschrift aus dem 14. Jahrhundert verbarg. Dabei ließ sich der Sammler von seinem subjektiven Gespür und nicht nach wissenschaftlichen Kriterien leiten. Vielleicht liegt es daran, dass die Objekte seiner Sammlung den Zuschauer durch ihre ausnehmende Schönheit beeindrucken und zum Teil auch durch ihre Kuriosität. So zeichnet eine technische Illustration aus dem 14. Jahrhundert ganz genau den Konstruktionsmechanismus eines Bechers nach, auf dessen Deckel eine Ente mit eingebauter Pfeife angebracht ist. Hebt man das Gefäß, sorgt die eingebaute Pneumatik dafür, dass die Ente singt, solange der Wein ausgeschenkt wird. So viel zum strikten Alkoholverbot, das angeblich seit je ein Grundgesetz der islamischen Kultur ist. Die nebenan gezeigten Teppiche und Textilien geben einen Einblick in die orientalische Ornamentik und ihre abstrahierende Interpretation der Grundprinzipien von organischer Natur: Wachstum und Wiederholung werden hier in einer Weise dargestellt, mit der es die Kunst des Abendlands durch gegenständliche Momentaufnahmen kaum aufnehmen kann.

Leider bleibt auch hier der Standardhinweis nicht aus, die besondere Schönheit der islamischen Kunst könne gerade in unserer kulturkämpferischen Gegenwart versöhnlich wirken. Zumal die offensichtlichen Mischformen von islamischer und christlicher Kunst einiges über die gemeinsame Wurzeln lehrten. Kann sein. Dabei hat die Ausstellung eine derart vordergründige Legitimation nicht nötig. Sie ist für sich genommen absolut sehenswert; noch mehr freilich in der Führung von Claus-Peter Haase, dem Leiter des Museums für Islamische Kunst, der viel Erhellendes zu den Exponaten zu sagen weiß.

Bis zum 17. Februar, Pergamonmuseum, Führungen am 11./18. 12. und 10. 1.