Orbáns Atomkurs nur unter Beobachtung

ENERGIE EU legt keinen Einspruch gegen Ungarns AKW-Neubaupläne mit russischer Technik ein

WIEN taz | Die Europäische Union blockiert hat das russisch-ungarische Atomabkommen nicht. Einen entsprechenden Bericht der Financial Times vom Donnerstag bezeichnete Ungarns Regierung als Falschmeldung. Die Sprecherin der EU-Kommission für Klima und Energie bestätigte kurz darauf, dass kein Einspruch gegen den Ausbau des umstritten Atomkraftwerks Paks eingelegt worden sei. Die Kommission untersuche lediglich das Problem der sicheren Versorgung mit nuklearen Brennelementen. Diesbezügliche von der EU-Atombehörde Euratom geäußerte Zweifel würden „binnen wenigen Wochen ausgeräumt“ werden, versicherte Ungarns Regierung in einem Kommuniqué.

Ungarn hat mit dem staatlichen russischen Atomkonzern Rosatom einen Vertrag zum Ausbau des AKW Paks unterzeichnet. Zwei neue Reaktorblöcke mit einer Gesamtleistung von 1.200 Megawatt sollen mittelfristig die bestehende Anlage ersetzen. Das zwölf Milliarden Euro teure Projekt soll zu 80 Prozent von Russland durch einen langfristigen Kredit vorfinanziert werden. Das Abkommen kam ohne öffentliche Ausschreibung zustande und wird als Geheimsache 30 Jahre unter Verschluss gehalten.

Die EU könnte die Ausbaupläne tatsächlich stoppen, denn sie muss alle von EU-Mitgliedern geschlossenen Verträge über nuklearen Treibstoff genehmigen. Um die befürchtete einseitige Abhängigkeit von Lieferanten außerhalb der EU zu verringern, hat Ungarn neben Rosatom auch den US-amerikanischen Westinghouse-Konzern hinsichtlich der möglichen Versorgung mit Brennstäben kontaktiert. Auch mit Siemens gibt es Gespräche über die Mitarbeit bei sicherheitsrelevanten Technologien.

Verschiedene EU-Funktionäre haben die Sorge geäußert, Moskaus Energiepolitik sei darauf gerichtet, die Union zu spalten und die Sanktionspolitik zu unterminieren. In der ungarischen Presse wird daher gemutmaßt, dass Brüssel den Atomdeal am liebsten stoppen würde.

Angeblich „billige Energie“

Ungarns Regierung rechtfertigt das Projekt mit der Aussicht auf „billige Energie“ und dem Beitrag für den Klimaschutz. Außerdem trage es zur Energiesicherheit bei. Anders sehen das die Grünen: Sie halten den AKW-Bau für „unrentabel und unnötig“ und fordern stattdessen den Ausbau erneuerbarer Energien. RALF LEONHARD