Kehrtwende im Kanzleramt

ASSE Nachdem das Bundeskanzleramt weitere Akten geschickt hat, will Niedersachsen seine Klage fallen lassen. Das Bundesamt für Strahlenschutz meldet neue Verzögerungen bei der Atommüll-Bergung

„Das Kanzleramt hat auf ganzer Linie die Segel gestrichen“

STEFAN WENZEL, GRÜNE

Während das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) neue Verzögerungen bei der Vorbereitung der geplanten Schließung des maroden Atommülllagers Asse meldet, ist der Streit zwischen Niedersachsen und dem Bundeskanzleramt um Akten zur Asse vorerst beendet. Einstimmig hat der Asse-Landtagsuntersuchungsausschuss jetzt beschlossen, seine Klage auf Aktenherausgabe beim Bundesverfassungsgericht fallen zu lassen. „Das Kanzleramt hat auf ganzer Linie die Segel gestrichen“, sagt Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel.

Anfang vergangener Woche hatte Berlin dem Ausschuss, der seit 2009 daran arbeitet, die Pannen rund um die Asse aufzuklären und dafür bei allen Bundes- und Landesministerien Akten angefordert hat, eine Fuhre Unterlagen zugestellt. Mit dabei: eine Erklärung, nun seien „nach bestem Wissen und Gewissen“ alle relevanten Dokumente übermittelt. Zudem wurden die Einsichtsfristen für Asse-Akten im Bundesarchiv verkürzt, wo sie üblicherweise für die ersten 30 bis 50 Jahre gesperrt sind.

Sechs Ordner hatte Berlin dem Ausschuss schon Ende Oktober geschickt und massive Kritik bei Mitgliedern ausgelöst: Lückenhaft, „nachträglich zusammengeheftet“ seien die Akten, zum Teil fehlten ganze Seiten. Zuvor hatte das Kanzleramt 2009 eine kleine Lieferung Unterlagen geschickt und sich dann hartnäckig geweigert, weitere herauszurücken – mit Verweis auf den „geschützten Kernbereich des Regierungshandelns“.

An der Klage beim Bundesverwaltungsgericht gegen Hessen hält Niedersachsen allerdings fest. Das Land weigert sich weiterhin, die angeforderten Akten herauszugeben.

Das BfS als Asse-Betreiber meldet derweil, die ursprünglich für dieses Jahr geplanten Probebohrungen an Einlagerungskammern verzögerten sich erneut. Sie sind der erste Schritt einer Faktenerhebung, mit der das BfS klären will, ob die geplante Bergung des Atommülls und Schließung der Asse überhaupt möglich sind. Dort lagern seit Ende der 70er-Jahre rund 126.000 Fässer schwach und mittelradioaktiver Müll. Täglich sickern rund 12.000 Liter Lauge in das Bergwerk, das laut Gutachten nur bis 2020 standsicher ist. Derzeit ist es laut BfS nicht möglich, die Brandschutzauflagen des Landes Niedersachsen zu erfüllen. Vorgeschrieben ist, für den Fall eines Brandes Stickstoff vor Ort bereitzuhalten. Bisher sehe sich jedoch kein Unternehmen in der Lage, dies zu erfüllen, so das BfS. Deshalb müsse am Bergwerksgelände eine eigene Luftzerlegeanlage installiert werden – wofür es wiederum neue Genehmigungen brauche.  THA