Die Amüsiermeile wird sorgenfrei

Die Politik definiert den öffentlichen Raum neu: Mit Bierflaschen herumlaufen ist auf der Reeperbahn bald verboten – wie auch zu starkes Betrunkensein. Dabei exekutiert die Politik nur, was die schweigende Mehrheit wünscht

Wenn es nach der Hamburger CDU geht, und das tut es in Hamburg, wird die Reeperbahn ihr Gesicht verändern. Nach diversen Messerstechereien zwischen Jugendlichen sollen vom 1. Januar an nicht nur Messer verboten werden, sondern auch öffentlich auf der Straße getragene Bierflaschen – denn auch die können mit abgeschlagenem Flaschenhals eine Waffe sein. Und nicht nur die Bierflaschen werden verboten, sondern auch die Betrunkenen. Polizisten und Ordnungsdienste sollen die U-und S-Bahnstationen überwachen und auffällige Gestalten aussortieren, Jugendliche unter 18 Jahren werden nach 22 Uhr zurückgeschickt.

Es lag in der Luft, dass so etwas kommen würde. Je mehr das Rotlichtmilieu, das die Reeperbahn berühmt gemacht hat, verschwindet, je mehr das bürgerliche Publikum die Reeperbahn erobert, desto mehr stören die obdachlosen Jugendlichen, die mit ihren Hunden auf den Gehwegen kauern. Und diejenigen wirken wie Aliens, die aus den Hamburger Vororten kommen und sich besaufen wollen, aber nie eine der teuren Eintrittskarten für die Clubs und Theater bezahlen würden, wo Paare in roten Sesseln sitzen und in der Pause Cocktails trinken.

Es geht, um es mit den Worten von Markus Schreiber (SPD), dem Chef des zuständigen Bezirksamts Hamburg-Mitte zu sagen, um die „vernünftigen Besucher von St. Pauli“, die vor den „Alkoholisierten“ geschützt werden müssten. Schreiber hat in seinem Bezirk schon die rumänischen Bettlerbanden verboten. Bei der Reeperbahn hat ihm die Arbeit jetzt allerdings Innensenator Udo Nagel (parteilos) abgenommen – unter dem Beifall der SPD, die nur beleidigt ist, dass der CDU-geführte Senat macht, was sie auch gern machen würde.

Tatsächlich sind die Betrunkenen auf der Reeperbahn kein schöner Anblick, ebenso wenig wie die organisierten Bettler in der Innenstadt, die ihre Versehrungen zeigen, die ihr einziges Kapital sind. Man möchte das alles nicht mehr sehen, man möchte nicht in diese Gesichter schauen müssen, die keine Zukunft haben.

Was sich auf der Reeperbahn abspielt, entspricht dem heimlichen Wunsch einer breiten Mehrheit: Es ist der Wunsch nach Rückzugsorten, an denen man nicht belästigt wird. So wie die Junkies nicht in unsere Restaurants kommen sollen und die Straßenmusiker nicht in unsere Bars, soll auch die Reeperbahn zur problemfreien Zone werden.

Nicht zufällig stimmen auch Institutionen aus dem links-alternativen Milieu in die Klage ein, mit dem Kiez gehe es bergab. Die Hamburger Grünen haben sich zu Wort gemeldet und bemerkt, sie fänden die neuen Sicherheitsregelungen „überspannt“ und man solle „friedliche Jugendliche“ nicht ausgrenzen. Gegen „sinnvolle Verbote, die die Sicherheit erhöhen“ aber, sagen die Grünen, hätten sie nichts. DANIEL WIESE