Kein Wunder

Werders 3:2 gegen Real Madrid ist beachtlich, aber jetzt muss ein weiterer Sieg in der Champions League her

BREMEN taz ■ Wie oft er solche Abende schon erlebt hat, das vermochte Thomas Schaaf gar nicht zu erinnern. Als grundsolider Spieler war Schaaf ehedem ein Teil des Rehhagel-Ensembles, das in den späten 80ern und frühen 90ern den internationalen Fußball aufmischte. Gern verloren die Bremer auswärts hoch und drehten einen Drei-Tore-Rückstand. Das Napoli der Maradona, Careca und Alemao wurde im Weserstadion mit 5:1 gedemütigt. Doch dieses 3:2 über Real Madrid in der Champions League, das Werders Hoffnungen auf das letzte Spiel bei Piräus fokussiert, hatte der Trainer sehr schnell einsortiert: Es stehe „schon ganz weit oben“.

Es war ja vor allem eine Frage der Bedingungen gewesen. Eine Bremer Mannschaft, die die Bezeichnung Notelf nur mit einer großen Portion Wohlwollen verdiente, schleppte sich ins Stadion. Ohne Torsten Frings, ohne Diego, ohne Tim Borowski. Ohne den Stürmer Hugo Almeida und den Keeper Tim Wiese. Und nach nicht einmal sieben Minuten fiel auch noch Clemens Fritz, der Außenverteidiger, mit einer Verletzung aus. Doch zu diesem Zeitpunkt führte Bremen schon mit 1:0 durch ein Tor von Rosenberg aus der fünften Minute. Die Führung hielt zwar nur ein paar Minuten, nach einer Viertelstunde glich Robinho, der beste Madrilene, aus. Doch das von Baumann zusammengehaltene Mittelfeld dominierte das spanische Zentrum. Bremen verfügte über das bessere Kombinationsspiel, dazu hatte Werder im brasilianischen Innenverteidiger Naldo den besten Akteur auf dem Feld. Fast ohne Fouls kam Naldo gegen Ruud van Nistelrooy aus. In Strafraumnähe wurde kein Freistoß gepfiffen.

Die erneute Bremer Führung durch Boubacar Sanogo, der einen unglaublichen Flankenlauf Rosenbergs direkt abschloss, spiegelte die Kräfteverhältnisse kurz vor der Pause. Das 3:1 durch einen Lupfer Aaron Hunts nach einer knappen Stunde wirkte wie eine Verhöhnung der spanischen Weltelf, die von der Bremer Notgemeinschaft auch spielerisch beherrscht wurde. Zudem gelang es den Bremern immer wieder, das „individuell hochklassige Spiel“ Reals zu unterbinden, wie der deutsche Nationalstopper Christoph Metzelder sagte. Lediglich Robinhos Unberechenbarkeit bedeutete ständige Gefahr, van Nistelrooys Anschlusstreffer fiel genau in jene Phase, als die Bremer Kräfte nachließen, doch ein wenig Glück und Verteidigungsgeschick ließ Werder die letzten Minuten überstehen.

Als Klaus Allofs, der Bremer Manager, nach dem Match erklärte, dass es kein Wunder gewesen, sondern nur das Ergebnis konsequenter Arbeit während der Saison, da ergänzte Coach Schaaf noch, dass ihn die gesamte Hinrunde sensationell dünke. Er trainiere schließlich eine Mannschaft, in der er permanenter Verletzungen wegen „ständig neues Personal vorfindet“. Und er fügte noch ein Kompliment an: Es sei eine ganz außerordentliche Leistung gewesen, wenn man „bedenkt, mit welchen Spielern die Mannschaft seit Monaten leben muss“.

Bernd Schuster, Reals deutscher Trainer, verstieg sich nach dem Match zu der originellen These, dass der Ausfall von Frings, Diego, Borowski und Almeida Werder eher begünstigt habe. „Es ist dadurch nicht einfacher geworden.“ Schuster ist die Bremer Unberechenbarkeit bestens vertraut. Schon vor dem Spiel hatte er seine Erinnerungen an das Weserstadion in einem Satz gebündelt: „Da war früher selten was zu holen.“ Seine Equipe hat vor dem letzten Gruppenspieltag gegen Lazio freilich leichtere Bedingungen als Werder: Ein Remis reicht aus. Die Bremer müssen dagegen in Piräus siegen, um auf Rang zwei zu klettern. Aber einfache Aufgaben waren ihnen ja immer zu schnöde. STEFAN OSTERHAUS