Genossen im Siegestaumel

Hamburgs SPD und ihr Bürgermeister-Kandidat Michael Naumann jubeln sich auf einem Parteitag der Ovationen und bezahlbaren Wahlversprechen zur Siegesgewissheit bei der Bürgerschaftswahl

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Das Merkwürdigste an Hamburgs Sozialdemokratie ist ihre Fähigkeit zur Autosuggestion. Immer kurz vor einer Wahl gelingt es den GenossInnen, Parteitage der Siegesgewissheit zu inszenieren. Dass dies 2001 und 2004 schiefging, konnte die 283 Delegierten auf der Versammlung in der Alten Post am Stephansplatz am Donnerstagabend nicht beirren. „Wir müssen gewinnen. Wir können gewinnen. Wir werden gewinnen.“, lautet der umjubelte Dreisatz von SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann am Ende seiner 54-minütigen Rede. Strahlende Gesichter und zweieinhalb Minuten stehende Ovationen sind sein Lohn.

„Er ist eben ein Siegertyp“, preist kurz darauf Alt-Bürgermeister Henning Voscherau seinen potenziellen Nachfolger, Naumann sei „ein exzellenter Kandidat“, assistiert Hans-Ulrich Klose, der in den 1980er Jahren auch mal Bürgermeister an der Elbe war und seitdem im Bundestag sitzt, und Ortwin Runde, von 1997 bis 2001 der bislang letzte sozialdemokratische Regierungschef an der Elbe Auen, nennt den Kandidaten „einen Glücksfall“. Zum Jubeln mithin hat die Basis reichlich Grund, und sie tut es ausgiebig.

Sie tut es, als Naumann die Privatisierung öffentlichen Vermögens durch den CDU-Senat geißelt und ausruft: „Hamburg ist keine Aktie.“ Sie tut es, als er „Fürsorge und Solidarität mit den Schwachen“ als das „wahre Fundament unserer Stadt“ benennt und verspricht, er wolle dafür sorgen, „dass Hamburg wieder zusammenwächst“. Und sie tut es auch, als er eine „ökologische Wirtschaftspolitik“ mit Elbvertiefung, moderner Verkehrsinfrastruktur, nicht privatisiertem Hafen und ohne Kohlekraftwerk Moorburg skizziert.

Und besonders vehement fällt der Beifall aus, als Naumann sein „Sofortprogramm“ nach der Amtsübernahme verkündet. Denn dann werde „mein Senat“ zügigst sämtliche Gebühren in Kitas, Schulen oder Universitäten abschaffen, wieder eine eigenständige Umweltbehörde einrichten sowie Stadtwerke gründen, welche die Versorgung Hamburgs mit Strom, Wasser und Gas preiswerter machen sollen. Sozialen Wohnungsbau soll es wieder geben und Qualifizierungsprogramme für Langzeitarbeitslose, mit der weiteren Privatisierung städtischen Eigentums und der Missachtung von Volksentscheiden hingegen werde Schluss sein.

Bejubelt werden auch Walter Zuckerer, Finanzexperte der Bürgerschaftsfraktion, und Wolfgang Rose, der als Vorsitzender der Gewerkschaft Ver.di auf der SPD-Liste kandidiert. Ihnen obliegt es, zwei offene Flanken zu schließen.

Zuckerers Job ist, wie er ihn selbst beschreibt, „euch humorlos zu sagen, ob das alles seriös finanzierbar ist“. Es ist. 250 Milliönchen würden all die Wohltaten pro Jahr kosten, das wäre nur „ein Viertel bis ein Drittel der zu erwartenden Steuermehreinnahmen in den nächsten Jahren“. Da sei noch Luft, sagt Zuckerer, und die Basis ist erleichtert. Denn wenn die SPD etwas fürchtet, dann den Vorwurf unbezahlbarer Wahlversprechen.

Und Rose hat die Aufgabe, seine Gewerkschafter zu befrieden. Naumanns Regierungsprogramm sei „gut, realistisch und umsetzbar“, sagt Rose, und habe darüber hinaus einen sehr spezialen Charme: „Es zeigt Hamburgs SPD als eine linke Volkspartei, wie Gewerkschafter sie wollen und brauchen.“

Denn das zweite, was Hamburgs SPD fürchtet, ist die Linkspartei. Sie würde aus heutiger Sicht eine rot-grüne Mehrheit verhindern. Und Rot-Grün-Rot will Naumann nicht. Aber das alles hat noch Zeit bis zum 24. Februar. Dann wird wieder gejubelt.

Von wem auch immer.