Der Sound der Likembe

Congotronics hätten das Zeug dazu, eine globale Bewegung zu sein: Doch Konono No 1 aus Kinshasa hielten im Haus der Kulturen der Welt nicht so ganz das, was man sich erhoffen durfte

VON ANDREAS HARTMANN

Es sieht aus, als würden sie mit Gameboys spielen. Die drei Likembe-Spieler von Konono No 1 bedienen mit beiden Händen ihre Fingerklaviere, verziehen dabei kaum ihre Mienen und wirken so, als würden sie gerade einen weiteren Bauklotz beim Tetris spielen in die richtige Position manövrieren. Doch immer wenn sie auf den aus Autofedern hergestellten Eisenlamellen ihrer Instrumente herumdrücken, dringt aus den Lautsprechern des auf die Bühne des Haus der Kulturen der Welt verfrachteten Konono-No-1-Soundsystems ein Lärmteppich, bei dem man sich nicht sicher ist, ob man sich eher an das Gitarrenspiel von Carlos Santana oder einen tapsig bespielten Analogsythesizer eines trancigen Techno-Acts erinnert fühlt.

Der Sound der Likembe, elektronisch verstärkt, damit er auch richtig schnarren und sein halliges Feedback verbreiten kann, ist das Besondere der sogenannten Congotronics-Bands, als deren Erfinder Konono No 1 aus Kinshasa gelten. Der ganz spezielle Sound der elektrifizierten Likembe hat die Band dann auch vor der Weltmusikabteilung bewahrt. In der Nähe von Punk und Techno wollen manche Rezipienten aus dem Westen die Band vielmehr verorten, wegen ihrem hohen Energielevel und dem gleichzeitig Ekstatischen. Doch letztlich findet diese Nähe zu westlichen Popkulturen eher in unseren Ohren statt und war wohl nicht intendiert, anders als etwa bei den Gästen aus Chile, Israel oder Japan des diesjährigen „Worldtronics“.

Dass Konono No 1 inzwischen bei uns fast schon hip geworden sind und sogar auf der letzten Platte von Björk zu hören waren, ist eher eine dieser wundersamen Kuriositäten der Globalisierung. Zufällig entstand vor 25 Jahren irgendwo in Afrika eine Musik, bei der sich aus Geldmangel mit dem Basteln selbst ausgedachter Instrumentierung beholfen werden musste und die heute den Hörgewohnheiten eines Goatrancers nicht völlig widerspricht.

Ganz so eigen- und einzigartig, wie man es sich eigentlich erhofft hatte, war der Auftritt der vielköpfigen Band, zu der eine erweiterte Rhythm-Section sowie mehrere Sängerinnen und Tänzerinnen gehören, im Haus der Kulturen im Rahmen des „Worldtronics“-Festivals nicht. Wer die vor ein paar Jahren aufgenommene Platte der Band kennt, hatte bestimmt mit noch mehr von allem, mehr Schamanenhaftem und Soundexplosionen gerechnet. Schockzustände wollten sich so beim Publikum nicht einstellen, das mit der Zeit immer fiebriger mittanzte, bald sogar die Bühne enterte und sich scheinbar problemlos auf das ewige Wechselspiel von Totalrhythmifizierung der Percussions und dem repetitiven Minimalismus der Likembe einzugrooven vermochte.

Dennoch war es ein Ereignis, diese Band, die vor ein paar Jahren noch hauptsächlich für die heimatliche Nachbarschaft zum Tanz gerufen hat, einmal auch in Berlin live sehen zu können. Lehrstunde für den hiesigen Popdiskurs war der Auftritt sowieso. Vor lauter technischen Möglichkeiten scheint die Avantgarde in allen Bereichen des Poptreibens wie erstarrt, und dann sieht man so eine Band aus Afrika, die gerade aus dem Mangel heraus etwas Einzigartiges und Neues erschafft. Not macht kreativ, diesen Slogan bekam man hier nicht als Klischee, sondern als Wahrheit vorgeführt. Die elektrifizierte Likembe lässt sich schließlich in eine Traditionslinie des evolutionären Zufalls stellen, wie die Entdeckung des Mischpults als Instrument im Dub oder der Umcodierung kleiner Rhythmusmaschinen zu Taktgebern des Technos. Nach diesem Konzert sollte doch jemand wie Ricardo Villalobos die Vorlage aus Kinshasa annehmen und anfangen, mit der Likembe herumzuspielen. Congotronics hätten das Zeug dazu, eine globale Bewegung zu werden.