OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Ein Publikumserfolg ist die beobachtende Dokumentation „Die große Passion“ von Jörg Adolph nicht geworden. Die traditionsreichen, nur alle zehn Jahre stattfindenden Passionsspiele in Oberammergau gehören zwar zu den größten Theaterereignissen Deutschlands, doch im wahlweise protestantisch oder gar nicht konfessionell geprägten Berlin gibt es offenbar Wichtigeres. Aber eine Affinität zum Thema muss bei guten Filmen ja keine Rolle spielen, und wer hier nicht hinschaut, verpasst ein ebenso spannendes wie unterhaltsames Werk: Neben der Vermittlung des keine Kräfte schonenden Enthusiasmus, mit dem Spielleiter Christian Stückl und seine Darsteller die Passionsgeschichte Jesu in Szene setzen, gibt der Film erhellende Einblicke in die Seele eines kleinen bayerischen Ortes. Dort kann die kostenbedingte Streichung von für die Aufführung notwendigen Ziegen zum Politikum werden – wobei die Reaktion des Spielleiters („Idioten“) für besonders nachhaltige Verstimmung sorgt. Auch die Weltpolitik bleibt nicht außen vor, denn immer wieder muss der Dramaturg Otto Huber mit Vertretern der jüdischen Anti-Defamation-League und des American Jewish Committee die Frage der Verantwortung für Jesu Tod diskutieren. Am Ende aber wird alles gut: Nach der Kreuzigung geht Jesus erst mal duschen und sprintet dann zur Auferstehung. (8.–14. 12., Acud, 11. 12., Sputnik 1)

Für seine Dokumentation „Kalte Heimat“ (1995) begab sich Regisseur Volker Koepp in den russischen Teil des ehemaligen Ostpreußen. Eine Gegend, in der Menschen verschiedener Volksgruppen durch die politischen Ereignisse im 20. Jahrhundert bunt durcheinandergewürfelt wurden – was Koepp ja stets besonders interessiert. Einmal mehr geht es um Landschaften und Menschen, wobei der Film getragen wird von dem Vertrauen, das die Protagonisten in den ebenso unaufdringlich wie hartnäckig fragenden Regisseur gewonnen haben. Also erzählen sie gern von Traditionen und der Vergangenheit, von ihrem Woher und Wohin – wobei Letzteres für die Menschen des Jahres 1995 noch von starker Ungewissheit geprägt ist: Was ihnen die Zukunft bringt, wissen sie alle nicht. (14. 12., Kino Krokodil)

Wie lustig ist der Weltuntergang? Besitzt man Sinn für den sarkastischen Humor des dänischen Regisseurs Lars von Trier, dann kann man sein gerade von der Europäischen Filmakademie als bester europäischer Film des Jahres ausgezeichnetes Drama „Melancholia“ absolut vergnüglich finden: Erstaunlich zugänglich und ausgesprochen bildgewaltig erzählt der Film von der Beziehung zweier Schwestern zueinander und zur Welt im Allgemeinen: Die depressive Justine (Kirsten Dunst) wird sich dem Planeten, der die Erde zu verschlingen droht, einladend hingeben und dabei aufblühen, die kontrollierte Claire (Charlotte Gainsbourg) kommt hingegen mit dem Weltuntergang zu tosender Wagner-Musik nicht wirklich gut zurecht. (8.–14. 12., Cosima, Hackesche Höfe 5, Intimes, Rollberg 2; 8. + 9. 12., 11.–14. 12., Sputnik 1; 9. + 12. 12., Casablanca; 10. + 14. 12., Kino im Kulturhaus Spandau) Lars Penning