Eine gut organisierte und äußerst lukrative Bestechung

ITALIEN Jetzt hat auch Regierungschef Renzi einen Skandal am Hals, der sogar seine Koalition bedroht

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Die Regierung unter Matteo Renzi hat ihren ersten großen Skandal seit Amtsantritt vor gut einem Jahr. Im Zentrum der Affäre steht Ettore Incalza, der bis zum Dezember letzten Jahres die Abteilung des Verkehrsministeriums leitete, die für die Abwicklung praktisch aller großen Infrastrukturprojekte zuständig war. Die Firmen revanchierten sich, indem sie jedes Mal den von Incalza protegierten Manager Stefano Perotti zum Generaldirektor für die Projekte beriefen. Egal ob Autobahnen, U-Bahnen, Häfen, Eisenbahnstrecken: Incalza trug dafür Sorge, dass „befreundete“ Unternehmen den Zuschlag erhielten. Dafür flossen Schmiergelder von bis zu 3 Prozent des Auftragswerts. Da das Gesamtvolumen der von der Seilschaft gemanagten staatlichen Investitionen seit 2001 bei 23 Milliarden Euro liegt, ergibt sich eine Bestechungssumme von mindestens 230 Millionen Euro. Im Gegenzug konnten die Bauunternehmen nach Gutdünken schalten und walten. Aufseher Perotti winkte Kostensteigerungen regelmäßig durch; bis zu 40 Prozent lagen die Ausgaben des Ministeriums über dem in den Ausschreibungen angesetzten Auftragswert.

Verkehrsminister Maurizio Lupi selbst ist zwar gegenwärtig nicht von den Ermittlungen betroffen. Die von den Fahndern vorgelegten Abhörprotokolle zeichnen jedoch das Bild eines Politikers, der höchst enge Beziehungen zu dem Spitzenbeamten seines Hauses und dessen Seilschaft unterhielt. Als Incalza Ende Dezember 2014 schließlich in Rente ging, beschäftigte Lupi ihn einfach weiter, nunmehr mit einem Beratervertrag.

Zumindest der Sohn Lupis, ein 25-jähriger Ingenieur, profitierte. Von Perotti erhielt der junge Mann zu seinem Uni-Abschluss eine kleine Aufmerksamkeit: eine Rolex-Uhr im Wert von gut 10.000 Euro. Zudem wurde er von einem mit Perotti verbandelten Unternehmen angestellt.

Renzi hat, wie Medien berichten, Lupi zum Amtsverzicht aufgefordert. Doch der stellt sich einstweilen stur. Renzis Problem: Lupi, der seine politische Karriere im Berlusconi-Lager begann und heute zu der kleinen Partei NCD – Neues Mitte-rechts-Lager – gehört, hat die Rückendeckung seiner Partei; NCD wiederum ist für den Regierungschef numerisch unverzichtbar.