„U-Boote zu Erntefahrzeugen umbauen“

Neue Erkenntnisse erwartet sie nicht, konkrete Vorschläge aber schon: Die Kuratorin der Ausstellung „Green Dreams“ im Wolfsburger Kunstverein, will darin auf 30 Jahre ökologisches Aktivistentum inner- und außerhalb der Kunst zurückblicken

CHRISTINE HEIDEMANN, 33, ist freie Ausstellungskuratorin in Berlin. Promoviert hat sie über Dilettantismus als Methode.

taz: Frau Heidemann, haben Sie dem Kunstverein eine Politikausstellung beschert?

Christine Heidemann: Wir zeigen eine Kunstausstellung. Aber sie enthält Arbeiten, die sich als politisch verstehen.

Ist Ihre Ausstellung, die auf 30 Jahre Ökologie in der Kunst zurückblickt, als Revival politischer Kunst gedacht?

Wir sehen das nicht so moralisch. Meine Mitkuratorin Anne Kersten und mich hat vielmehr interessiert, welche Position die Kunst angesichts der Debatte um Klima- und Umweltschutz einnimmt. Außerdem wollten wir untersuchen, wie sich Künstler zu diesem Thema verhalten haben. Wir wollten aufzeigen, mit welchen visuellen Mitteln Künstler ökologische Fragen damals bearbeiteten, wie sie das heute tun und in welcher Form sie ihre Vorgänger zitieren.

Zum Beispiel?

Wir zeigen zwei Arbeiten mit ähnlichen Ansätzen. Eine stammt von Mierle Laderman Ukeles, die 1979 in einer New Yorker Langzeitperformance 8.500 Müllmänner die Hand schüttelte und sich dafür bedankte, dass sie New York sauber hielten. So geriet die Arbeit der Müllmänner, die den Müll wegschaffen, den wir produzieren, aber nicht verantworten wollen, ins Bewusstsein. Ähnlich nähert sich die Hamburger Künstlerin Nana Petzet dem Thema: Sie hat ein Jahr lang Hausmüll gesammelt und überlegt, was sich daraus herstellen lässt – eine Reaktion auf die Einführung des Grünen Punkts. Ihre Vorschläge sind teils sehr absurd; sie hat zum Beispiel aus Plastiktüten Papierkörbe geflochten, die man dann auch wieder nicht braucht. Die Resultate haben wir hier säuberlich in Regale gelegt.

Sie zeigen auch Arbeiten von Beuys und Warhol. Reine Sentimentalität oder ein genüssliches Reiten auf der aktuellen Konsumkritik-Welle?

Keins von beiden. Beuys haben wir aufgenommen, weil er Kunst und Politik par excellence vermischt hat und außerdem an der Gründung der Grünen beteiligt war.

Trotz allem: Lässt sich substanziell Neues sagen in puncto Umweltschutz?

Das war gar nicht unser Anliegen. Der Ansatz meiner Mitkuratorin Anne Kersten und mir war vielmehr autobiografisch: Wir sind beide Mitte der 70er geboren, waren in Umweltschutzgruppen aktiv, was aber mit der Zeit stark nachgelassen hat. Bei den zeitgenössischen Künstlern unserer Schau ist es ähnlich: So aktiv wie Beuys ist keiner von ihnen. Uns haben deshalb eher ihre Strategien interessiert – sowie die konkrete Anwendbarkeit ihrer Vorschläge.

Aber auch diese Künstler können nur aufwärmen, was bekannt ist. Oder erbringt auch nur eine der Wolfsburger Arbeiten neue Erkenntnisse?

Da möchte ich auf Peter Fend verweisen, der einen – zuvor allerdings bereits in Hamburg präsentierten – Vorschlag zur alternativen Energiegewinnung macht. Er hegt die Idee, Algen aus den Mündungsgebieten von Flüssen und aus Ozeanen zu sammeln, zu fermentieren und das Gas alternativ zum Erdgas einzusetzen. Eine durchaus realistische Idee, die er bereits mit Ingenieuren besprochen hat. Utopisch daran ist allerdings der Vorschlag, russische und amerikanische Militär-U-Boote zu Erntefahrzeugen umzufunktionieren.

Eine Idee, die gut in die aktuelle „Das Öl-ist-bald-alle“-Debatte passt. Warum haben Sie so eine brav mainstreamige Ausstellung konzipiert?

Wir wurden selbst von den Zeitläufen überrascht: Als wir vor anderthalb Jahren mit der Konzeption begannen, war das alles gar nicht so virulent. Uns hat die visuelle Sprache des Umweltschutzes interessiert: die „Atomkraft – Nein danke!“-Buttons, die Jutetaschen. Wir haben uns an unsere Aktivisten-Zeit erinnert – und dann gedacht: So ein Öko-Schnarchthema interessiert doch keinen! Dann kam die Debatte über Klimaschutz und diese Dinge. Reiner Zufall.

INTERVIEW PETRA SCHELLEN

Die Ausstellung „Green Dreams“ läuft bis 10. 2. 2008 im Wolfsburger Kunstverein