Das letzte schöne Haus am Rande der Betonwüste

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Café Palladin in Schöneberg ist mittags proppevoll – warum eigentlich?

An der Pallasstraße in Schöneberg wird ein Phänomen Berlins besonders sichtbar: Das eine Ende der Straße erinnert an all die guten Dinge, die man über Berlin weiß. Märkte, Cafés, das bunte Treiben und Highlife. Am anderen Ende richten sich bei ängstlichen Menschen die Nackenhaare auf. Hier stehen in Beton gegossene Bausünden, deren Winkel und Ecken wie gemacht scheinen für düstere Zeitgenossen. Gern werden diese Bausünden im Fernsehen dem gesamtdeutschen Fernsehpublikum gezeigt, in Form einer Dokumentation, die den Tag des hilflosen Hausmeisters im Kampf gegen Vandalismus und Verfall zeigt.

Aus dem letzten schönen Haus an der Pallasstraße funkelt das Licht des Café Palladin in die Tristesse des Berliner Frühwinters, hinter großen Scheiben sieht man Gäste in Lektüre oder im Gespräch. Zwei Lehrer der gegenüberliegenden Schule diskutieren. Mit tatsächlich zerfurchter Stirn. Vermutlich Probleme im Kollegium. Im Raucherbereich sitzen drei junge Frauen mit Kopftuch, im Nichtraucherbereich ältere Frauen, die aussehen, als hätten sie sich im Feldenkraiskurs kennengelernt. Eine Gruppe Schüler läuft vorbei, ein Junge stürmt hinein, „Ey, die Mädels stehen auf euch!“ ruft er den Kellnern zu und ist auch wieder draußen.

Nein, gegen die Nachbarn des Café Palladin kann man wirklich nichts sagen. Das Café Palladin ist ein Ausbildungsbetrieb, im Café und der Konditorei arbeiten nur Azubis und ihre Ausbilder. Da ist es verzeihlich, dass ein paar Holprigkeiten bestehen. Der gedeckte Apfelkuchen schmeckt ein wenig zu süß, der Latte macchiato etwas zu stark, und die Aufmerksamkeit des Services grenzt an Beobachtung. Dennoch, gerade weil hier gelernt wird, mag man hier nicht von Mängeln sprechen, handwerkliches Können entsteht ja nicht von allein.

Der beste Beweis dafür, dass der seit 2003 bestehende Laden als Erfolg gewertet werden kann, ist, dass das Lokal zur Mittagszeit proppevoll wird. Büromenschen drängen in Zweier- und Dreierformationen ins Warme, suchen sich ihren Stammplatz und bestellen das warme Tagesmenü. Das Wildgulasch mit Rotkohl und Klößen kostet 3,50 Euro, was dem Vertrauen zum Fleisch in brauner Soße eher schadet als nützt. Zum Glück gibt es vegetarische Bratwürste als Alternative. Trotz der kleinen Unzulänglichkeiten kann man das Café Palladin gern weiterempfehlen. An einem kalten Wintertag, wenn das Licht der Lampen verlockend funkelt, findet man sich im Café Palladin am richtigen Ort, egal vom welchem Ende der Straße man kommt.

CAFÉ PALLADIN, Pallasstr. 8/9, 10781 Berlin, (0 30) 34 33 94 73, Mo–Fr 8–19 Uhr, Sa–So 9–18 Uhr, U-Bahn Nollendorfplatz, Latte macchiato 2,70 €, Cola 2,10 €, Tagesmenü 3,50 €