Chance vertan

UMWELTHAUPTSTADT Hamburgs Naturschutzverbände ziehen vernichtende Bilanz nach einem Jahr als EU-Umweltmetropole. Der SPD-Senat sei desinteressiert

Am 23. Februar 2009 wurde Hamburg von der EU in Brüssel zur „European Green Capital 2011“ ernannt.

■ Die Auswahl: Hamburg setzte sich gegen 34 Städte aus 17 EU-Ländern durch.

■ Die Begründung: „Hamburg, der Gewinner 2011, hat in den vergangenen Jahren und in der Gegenwart große Leistungen erbracht und hat auf der ganzen Bandbreite exzellente Umweltstandards erreicht. Die Stadt hat sehr ehrgeizige Pläne für die Zukunft, die zusätzliche Verbesserungen versprechen.“

Wenig versprochen, fast nichts gehalten – so lautet die Bilanz der Umweltverbände über Hamburg als Europäische Umwelthauptstadt 2011. In diesem Jahr „wurde nichts getan, um Hamburg im Umweltbereich wirklich weiterzubringen“, sagte Alexander Porschke, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) in der Hansestadt. In vielen Bereichen habe es sogar Verschlechterungen gegeben, sagte Porschke am Donnerstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von sechs Umweltverbänden. Hamburg ist nach Stockholm 2010 die zweite EU-Umwelthauptstadt, nächstes Jahr wird es Vitoria-Gasteiz in Spanien.

Besonders drastisch fiel das Urteil im Verkehrsbereich aus. Die Planungen für die Stadtbahn seien eingestellt worden, bei der Landstromversorgung für Kreuzfahrtschiffe gebe es keine Fortschritte, dafür seien die Umweltzone und die City-Maut „mit Denkverboten belegt worden“, sagte Susanne Elfferding vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Von einer Radverkehrsstrategie, Verbesserungen im Öffentlichen Nahverkehr oder dem Umstieg auf eine umweltfreundliche Mobilität sei hingegen nichts zu sehen gewesen, so Elfferding: „Das ist zukunftsblind.“

Als positive Entwicklungen bewerten die Verbände den Erfolg des Stadtrads und die positive Entwicklung des Ökostromanbieters Hamburg Energie – allerdings haben beide keinen direkten Zusammenhang mit dem Umweltjahr. Dem stehen als große Minuspunkte vor allem das Weiterbetreiben der Elbvertiefung, Kürzungen beim Klimaschutz und die zu geringe Absenkung bei den Emissionen von Kohlendioxid gegenüber.

Bis 2012 sollen nach Ankündigungen des früheren schwarz-grünen Senats zwei Millionen Tonnen CO[2]eingespart werden, bislang wurde nicht einmal die Hälfte erreicht, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) nachgerechnet. Insgesamt habe die Stadt „die Chance vertan, den Titel mit Leben zu füllen“, sagt BUND-Chef Manfred Braasch. Stattdessen habe der neue SPD-Senat „den Eindruck vermittelt, dass der Umweltschutz in Hamburg ein nachrangiges Politikfeld ist und im Zweifel wirtschaftliche Interessen vorgehen“.

Auch der Vorsitzende des Botanischen Vereins, Hans-Helmut Poppendieck, kommt zu dem Fazit, „dass dem Senat das Engagement für die Umwelt nicht wirklich am Herzen liegt“. Der Einsatz der Politik sei „enttäuschend“ gewesen, fasste Porschke zusammen: „Das ist ein ganz schwaches Bild.“ SVEN-MICHAEL VEIT