Gewerkschaft testet Tariftreue

Der IG Metall Küste steht der wohl schwerste Tarifkonflikt in der Geschichte des Kfz-Handwerks bevor. Neue Formen der Mitgliederaktivierung sollen die traditionellen Arbeitskampf-Elemente ergänzen

VON KAI VON APPEN

Der IG Metall Küste steht vor dem schwersten Tarifkonflikt in der Geschichte des Kfz-Handwerks im Norden. Neben den klassischen gewerkschaftlichen Arbeitskampf-Elementen setzt die Gewerkschaft auch auf so genanntes Organizing, sprich Mitgliederwerbung und -aktivierung, und möchte ab morgen mit Solidaritätsaktionen die Werkstätten und Autohäuser unter Druck setzen.

Die Anordnung kommt vom Kfz-Zentralverband. Darin werden die Kfz-Betriebe angewiesen, die Innungen zu verlassen und die Manteltarifverträge aufzukündigen. Oder aber die Innungs-Satzungen zu ändern und die Tarifhoheit aufzugeben, um somit die Tarifstruktur zu deregulieren. Im Gegenzug können neue Tarifgemeinschaften gegründet werden, in denen sich die Kfz-Betriebe freiwillig einem neuen Tarifvertrag unterwerfen. In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind solche Strategien bereits in den letzten Jahren, in denen die IG Metall nicht wachsam war, umgesetzt worden. In Schleswig-Holstein wurde der Versuch jedoch im vorigen Jahr abgewehrt.

Nun starten die Hamburger Kfz-Betriebe mit ihren 10.000 Beschäftigten zum Jahresende einen neuen Vorstoß, bei den Schleswig-Holsteinern wird ein Versuch für die 1.250 Betriebe und 15.000 Angestellten zum 1. März erwartet. Die Arbeitgeber wollen drastische Verschlechterungen durchsetzen: 40 Stundenwoche ohne Lohnausgleich, Samstagsarbeit als Regelarbeitszeit, Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie anderer Zuschläge, so der Forderungskatalog der Kfz-Betriebe.

Die IG Metall reagiert darauf in der Metropol-Region Hamburg mit ehrenamtlichen Campaignerteams, die vor den Betrieben in Hamburg, der Unterelberegion sowie im Bergedorfer Raum aufklären. So gibt es zum Beispiel eine tarifliche Nachwirkung. „Das heißt, der Tarifvertrag gilt für IG Metall-Mitglieder weiter, bis er durch eine neue Vereinbarung ersetzt wird“, sagt IG Metall-Justitiar Christoph Schoff. „Dies gilt auch für diejenigen, die jetzt erst in die IG Metall eintreten.“

Allergisch reagieren die Bosse der Kfz-Betriebe auf einen „Tariftreue-Check“. „Wir wollen dadurch ermitteln, welche Arbeitgeber sich korrekt gegenüber ihrer Belegschaften verhalten“, sagt Handwerksekretär Hans-Jürgens Nestermann. „Schlechte Zertifikate werden dann veröffentlicht.“ Betriebsräte großer Metallbetriebe haben überdies Partnerschaften übernommen. Sie prüfen, ob die Firmen-Fahrzeuge in Betrieben mit Tarifen gekauft und gewartet werden.

Die heiße Phase des Tarifkonfliktes wird für das Frühjahr erwartet, dann wird sich entschieden haben, ob ein Flächentarifvertrag erhalten bleibt.

Eigentlich müssten die Autohäuser einsehen, dass für sie der Flächentarif sinnvoller sei, sagt Uwe Zabel, Chef der IG Metall Unterelbe. „Wenn nicht, dann beginnt der Häuserkampf, um die Tarifbindung von unten durchzusetzen.“

In Mecklenburg hat der Tarifkampf mit der Tarifgemeinschaft, der außer MAN- und DaimlerChrysler-Niederlassungen kaum Kfz-Betriebe angehören, schon gestern mit Warnstreiks begonnen. Im Tarifkonflikt geht es zudem um die Angleichung des Tarifniveaus an die „Nordlichter“.